Die Kandidaten
mag ja zu der richtigen Schlussfolgerung kommen«,
erwiderte Nat, »aber am Ende kann er nur den Wahlregeln
folgen.«
»Dem kann ich nur zustimmen«, sagte eine Stimme hinter
ihnen. Nat wirbelte herum und sah Elliot, der ihn angrinste. »Sie
müssen gar nicht erst ins Regelwerk schauen, um
herauszufinden, dass derjenige mit den meisten Stimmen der
Gewinner ist«, fügte Elliot verächtlich hinzu.
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»Außer sie stellen fest, dass es mehr Stimmen als Wählende
gibt«, hielt Nat dagegen.
»Beschuldigst du mich des Wahlbetrugs?«, fauchte Elliot.
Eine Gruppe seiner Anhänger schlenderte herüber und baute
sich hinter ihm auf.
»Tja, lass es mich so ausdrücken: Wenn du diese Wahl
gewinnst, könntest du dich auch für eine Stelle als
Stimmenzähler in Chicago bewerben, denn selbst Bürgermeister
Daly kann dir nichts mehr beibringen.«
Elliot trat einen Schritt vor und hob die Faust. In diesem
Moment kehrte der Dekan mit einem Blatt Papier in der Hand
zurück. Er trat auf die Bühne.
»Das hat dir in letzter Sekunde eine Tracht Prügel erspart«,
flüsterte Elliot.
»Ich denke eher, dass du gleich eine Tracht Prügel einstecken
wirst«, antwortete Nat. Beide drehten sich zur Bühne.
Die Gespräche im Saal verstummten, als Mr Davies die Höhe
des Mikrofons korrigierte und sich an all diejenigen wandte, die
sich zur Verlesung des Wahlergebnisses eingefunden hatten. Er
las langsam seinen vorbereiteten Text ab.
»Im
Zuge
der
Wahl
zum
Präsidenten
des
Studentenausschusses wurde ich darauf aufmerksam gemacht,
dass zwei Urnen erst nach Abschluss der Auszählung entdeckt
worden sind. Als man sie öffnete, unterschieden sich die darin
enthaltenen Stimmen beträchtlich von allen anderen Urnen. Als
bevollmächtigtes Wahlkomitee sahen wir uns veranlasst, das
Regelwerk bezüglich studentischer Wahlen zu konsultieren. So
sehr wir auch gesucht haben, wir konnten keine Erwähnung
fehlender Urnen entdecken oder herausfinden, welche
Maßnahmen bei unverhältnismäßigen Stimmenzahlen in einer
Urne ergriffen werden sollten.«
»Weil in der Vergangenheit niemand jemals einen Wahlbetrug
begangen hat«, rief Joe aus dem hinteren Teil des Saales.
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»Und das hat auch diesmal keiner«, wurde sofort erwidert,
»ihr seid einfach schlechte Verlierer.«
»Wie viele Urnen habt ihr noch versteckt? Nur für den Fall der
Fälle?«
»Wir brauchen keine mehr.«
»Ruhe«, befahl der Dekan. Er wartete, bis alle schwiegen,
bevor er weiter von seinem Blatt ablas. »Wir wissen jedoch um
unsere Verantwortung als Wahlkomitee und sind zu dem
Schluss gekommen, dass das Ergebnis der Wahl steht.« Die
Anhänger von Elliot sprangen in die Luft und jubelten.
Elliot drehte sich zu Nat um und sagte: »Ich denke, du hast
soeben eine ordentliche Abreibung bekommen.«
»Noch ist es nicht vorbei.« Nat hatte Mr Davies immer noch
fest im Visier.
Es dauerte eine Weile, bevor der Dekan fortfahren konnte, da
nur wenigen Anwesenden klar war, dass er seine Verlautbarung
noch nicht beendet hatte.
»Da es bei dieser Wahl mehrere Unregelmäßigkeiten gab, von
denen unserer Meinung nach eine ungelöst bleibt, habe ich
beschlossen, dass gemäß Paragraph 7B des Studentenausschuss-
Regelwerkes der unterlegene Kandidat die Chance erhält, das
Ergebnis anzufechten. Sollte er das tun, stehen dem Komitee
drei Alternativen offen.« Er schlug das Regelbuch auf und las
laut vor: »Das Komitee kann a) das ursprüngliche Ergebnis
bestätigen, b) das ursprüngliche Ergebnis umkehren oder c) eine
Neuwahl ausrufen, die in der ersten Woche des nachfolgenden
Quartals abgehalten wird. Wir schlagen daher vor, Mr
Cartwright vierundzwanzig Stunden zu gewähren, in denen er
Berufung einlegen kann.«
»Dafür brauchen wir keine vierundzwanzig Stunden«, rief Joe.
»Wir legen Berufung ein.«
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»Die Berufung muss der Kandidat schriftlich einlegen«,
erklärte der Dekan.
Tom warf Nat einen Blick zu, der auf Su Ling herabschaute.
»Weißt du noch, was wir vereinbart haben für den Fall, dass
ich unterliege?«
273
DRITTES BUCH
CHRONIKEN
274
23
NAT DREHTE SICH UM und sah, wie Su Ling langsam auf
ihn zuschritt. Das erinnerte ihn an den Tag ihrer ersten
Begegnung. Er hatte sie einen Hügel hinabgejagt und als sie sich
damals zu ihm umdrehte, hatte es ihm den Atem verschlagen.
»Hast du eine Ahnung, wie viel Glück du hast?«, flüsterte
Tom.
»Könntest du dich bitte auf deine Aufgabe konzentrieren? Wo
ist
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