Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
Vom Netzwerk:
Wagen vor ihrem Haus zum Stehen brachte.
    »Ihm was sagen?«, fragte Fletcher.
    »Dass ich wieder schwanger bin.«

    282

    *

    Nat liebte das Gedränge und den Betrieb in Seoul, einer Stadt,
    die fest entschlossen war, alle Erinnerungen an den Krieg hinter
    sich zu lassen. Wolkenkratzer erhoben sich an jeder Ecke und
    Alt und Neu versuchten, harmonisch zusammenzuleben. Nat
    war beeindruckt von dem Potenzial an gebildeten, intelligenten
    Arbeitskräften, die von Löhnen lebten, welche nur ein Viertel
    von dem ausmachten, was man bei ihm zu Hause für akzeptabel
    halten würde. Su Ling fiel dagegen die unterwürfige Rolle auf,
    die Frauen in der koreanischen Gesellschaft immer noch
    einnahmen, und insgeheim dankte sie ihrer Mutter, dass sie den
    Mut und den Weitblick besessen hatte, sich nach Amerika
    aufzumachen.
    Nat mietete einen Wagen, damit sie von Dorf zu Dorf fahren
    konnten. Kaum waren sie ein paar Meilen außerhalb der
    Hauptstadt, fiel ihnen sofort auf, wie rasch sich das Leben der
    Menschen änderte. Nach weiteren hundert Meilen hatten sie
    auch hundert Jahre in der Zeit zurückgelegt. Die modernen
    Wolkenkratzer wurden von kleinen Holzhütten ersetzt und das
    Gedränge von einem langsameren, bedächtigeren Tempo.
    Obwohl ihre Mutter nur selten über ihre Kindheit in Korea
    gesprochen hatte, kannte Su Ling das Dorf, in dem sie geboren
    worden war – und auch ihren Familiennamen. Sie wusste auch,
    dass zwei ihrer Onkel im Krieg gefallen waren. Als sie daher in
    Kaping eintrafen – das laut ihrem Reiseführer 7303 Einwohner
    zählte –, hatte sie nicht viel Hoffnung, jemanden zu finden, der
    sich an ihre Mutter erinnerte.
    Su Ling Cartwright begann ihre Suche im Gemeindehaus, wo
    ein Personenstandsregister aller Einwohner geführt wurde. Da

    283
    half es auch nicht, dass von den siebentausend Bewohnern über
    tausend denselben Namen trugen: Peng – der Mädchenname von
    Su Lings Mutter. Doch auf dem Namensschild auf dem
    Schreibtisch der zuständigen Amtsleiterin stand ebenfalls Peng.
    Sie erzählte Su Ling, dass ihre Großtante, die über neunzig
    Lenze zählte, behauptete, jeden Zweig der Familie zu kennen,
    und wenn sie sie treffen wolle, lasse sich das arrangieren. Su
    Ling nickte zustimmend und wurde gebeten, im Laufe des Tages
    noch einmal vorbeizuschauen.
    Als Su Ling am Nachmittag zurückkehrte, wurde ihr gesagt,
    dass Ku Sei Peng sie für den folgenden Tag zum Tee zu sich
    einlud. Die Amtsleiterin entschuldigte sich, bevor sie höflich
    erklärte, dass Su Lings amerikanischer Ehemann nicht
    willkommen wäre.
    Su Ling kehrte am nächsten Abend in ihr kleines Hotel zurück,
    mit einem Zettel Papier und einem glücklichen Lächeln. »Jetzt
    sind wir den ganzen Weg hierher gekommen, nur um zu
    erfahren, dass wir nach Seoul zurückkehren müssen«, sagte sie.
    »Wieso das?«, wollte Nat wissen.
    »Ganz einfach. Ku Sei Peng erinnerte sich, dass meine Mutter
    das Dorf verlassen hat, um sich in der Hauptstadt Arbeit zu
    suchen; sie kehrte jedoch nie zurück. Aber ihre jüngere
    Schwester Kai Pai Peng wohnt immer noch in Seoul und Ku Sei
    hat mir ihre letzte bekannte Adresse gegeben.«
    »Also auf in die Hauptstadt.« Nat läutete am Empfang durch
    und teilte mit, dass sie sofort auschecken wollten. Kurz vor
    Mitternacht trafen sie in Seoul ein.
    »Ich glaube, es wäre klüger, wenn ich sie allein besuche«,
    sagte Su Ling am nächsten Morgen beim Frühstück.
    »Möglicherweise sagt sie nicht mehr viel, wenn sie entdeckt,
    dass ich mit einem Amerikaner verheiratet bin.«

    284
    »Soll mir recht sein«, erwiderte Nat. »Ich wollte ohnehin den
    Markt auf der anderen Seite der Stadt besuchen. Ich suche
    nämlich etwas ganz Bestimmtes.«
    »Was denn?«, wollte Su Ling wissen.
    »Wart’s ab.«
    Nat nahm ein Taxi in das Kiray-Stadtviertel und brachte den
    Tag damit zu, über einen der größten Freiluftmärkte der Welt zu
    schlendern – eine Reihe an der anderen, unzählige übervolle
    Stände, von Rolex-Uhren bis zu Zuchtperlen, von Gucci-
    Taschen bis zu Chanel-Parfüm, von Cartier-Armbändern bis zu
    Tiffany-Herzen. Er ignorierte Rufe wie »Hier herüber,
    Amerikaner, schau dir meine Waren an, viel billiger«, da er sich
    nie sicher sein konnte, was davon kein Imitat war.
    Als Nat an diesem Abend ins Hotel kam, war er erschöpft und
    trug schwer an sechs Einkaufstüten, in erster Linie mit
    Geschenken für seine Frau. Er fuhr mit dem Aufzug in den
    dritten Stock und als er die Tür zu ihrem Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher