Die Kandidaten
der Ring?«
»Der Ring? Was für ein Ring?« Nat starrte seinen Trauzeugen
an.
»Zur Hölle, ich wusste doch, dass ich etwas vergessen habe«,
flüsterte Tom hektisch. »Könntest du die ganze Sache einen
Moment hinauszögern, während ich nach Hause laufe und ihn
suche?«
»Willst du, dass ich dich erwürge?«, grinste Nat.
»Ja, bitte.« Tom blickte auf Su Ling, die sich ihnen näherte.
»Sie soll meine letzte Erinnerung an diese Welt sein.«
Nat wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Braut zu und
sie schenkte ihm jenes Lächeln, an das er sich von ihrer ersten
Verabredung vor dem Eingang des Cafes erinnerte. Sie nahm
ihren Platz neben ihm ein, den Kopf leicht gesenkt, und wartete,
dass der Priester mit dem Gottesdienst begann. Nat dachte an die
Entscheidung, die sie nach der Wahl getroffen hatten, und er
wusste, er würde sie niemals bereuen. Warum sollte er Su Lings
Karriere ausbremsen, nur wegen der winzigen Möglichkeit, dass
er die Präsidentschaft gewann? Die Vorstellung, in der ersten
Woche des nächsten Quartals erneut eine Wahl durchzustehen
und Su Ling zu bitten, noch ein weiteres Jahr herumzuhängen,
falls er scheiterte, bestärkten ihn in der Überzeugung, was er zu
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tun hatte. Der Priester wandte sich an die Anwesenden. »Liebe
Gemeinde …«
Als Su Ling Professor Mullden erläutert hatte, dass sie
heiraten würde und ihr künftiger Ehemann an der University of
Connecticut studierte, wurde Nat sofort die Möglichkeit
angeboten, seine Zwischenprüfungen in Harvard abzulegen.
Man wusste dort bereits um Nats Verdienste in Vietnam und
seine Erfolge im Querfeldein-Team, aber den Ausschlag gaben
seine Noten. Es erstaunte die Zulassungskommission, warum er
nicht seinen Platz in Yale eingenommen hatte. Den Mitgliedern
der Kommission war klar, dass sie nicht einfach nur Su Lings
Ehemann bekamen.
»Willst du diese Frau zu deiner dir rechtmäßig angetrauten
Gattin nehmen?«
Nat hätte am liebsten ›Ja, ich will‹ gebrüllt. Aber er erwiderte
nur ruhig: »Ja, ich will.«
»Willst du diesen Mann zu deinem dir rechtmäßig angetrauten
Gatten nehmen?«
»Ja, ich will«, sagte Su Ling mit gesenktem Kopf.
»Sie dürfen die Braut nun küssen«, sagte der Priester.
»Ich glaube, damit meint er mich.« Tom trat einen Schritt vor.
Nat nahm Su Ling in die Arme und küsste sie, während er
Tom kräftig gegen das Schienbein trat.
»Das bekomme ich nun für all das, was ich im Laufe der Jahre
geopfert habe? Tja, wenigstens bin ich jetzt an der Reihe.« Nat
wirbelte herum und nahm Tom fest in die Arme, während die
versammelte Gemeinde in Gelächter ausbrach.
Tom hat Recht, dachte Nat. Er hatte nicht einmal Einwände
erhoben, als Nat sich weigerte, Berufung beim Wahlkomitee
einzulegen, obwohl Nat wusste, dass Tom glaubte, Nat könne
bei einer Neuwahl erfolgreich sein. Und am folgenden Morgen
hatte Mr Russell angerufen und Nat angeboten, ihr Haus für den
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Hochzeitsempfang zu nutzen. Wie sollte er ihm das jemals
vergelten?
»Aber Vorsicht«, warnte Tom, »Dad wird erwarten, dass du
als Trainee zu ihm in die Bank kommst, sobald du deinen
Abschluss an der Harvard Business School hast.«
»Das könnte das beste Angebot sein, das ich bekomme«,
meinte Nat.
Braut und Bräutigam wandten sich an ihre Familie und
Freunde. Susan versuchte erst gar nicht, ihre Tränen
zurückzuhalten, und Michael strahlte vor Stolz. Su Lings Mutter
trat einen Schritt vor und machte ein Foto der beiden in ihrem
ersten Augenblick als Mann und Frau.
Nat erinnerte sich nicht genau an den Empfang, er hatte nur
das starke Gefühl, dass Mr und Mrs Russell nicht mehr hätten
tun können, wenn er ihr eigener Sohn gewesen wäre. Er ging
von Tisch zu Tisch, dankte vor allem jenen, die eine lange
Anreise auf sich genommen hatten. Erst als er den Klang von
Silber auf Kristall hörte, prüfte er schnell, ob die Rede, die er
vorbereitet hatte, immer noch in der Innentasche seines Jacketts
steckte.
Nat eilte rasch zu seinem Platz am Kopfende des Tisches,
gerade als sich Tom für seine Rede erhob. Der Trauzeuge
erklärte, warum der Empfang in seinem Elternhaus abgehalten
wurde. »Und vergessen Sie nicht, dass ich Su Ling lange vor
dem Bräutigam einen Heiratsantrag gemacht habe, wobei sie
allerdings aus unerfindlichen Gründen bereit war, sich mit der
zweiten Wahl zu begnügen.« Nat lächelte Toms Tante Abigail
aus Boston zu, während die Gäste klatschten.
Manchmal fragte
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