Die Kandidaten
Herren,
wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
»Danke, Mrs Townsend«, sagte Fletcher, dessen Vater ihm
beigebracht hatte, nie den Namen einer Sekretärin zu vergessen
– schließlich verbrachten sie mehr Zeit mit dem Boss als dessen
Ehefrau. Die beiden Kandidaten folgten ihr aus dem Büro und
Fletcher fragte sich, ob Logan ebenso nervös war wie er. Zu
beiden Seiten des langen, mit Teppichen ausgelegten Flures
standen die Namen der Partner in goldenen Lettern neben den
Eichentüren, an denen sie vorübergingen. William Alexanders
Büro war das letzte vor dem Konferenzraum.
Mrs Townsend klopfte leise an die Tür des Sitzungssaales,
öffnete sie und trat zur Seite. Fünfundzwanzig Männer und drei
Frauen standen auf und begannen zu applaudieren.
»Setzen Sie sich bitte«, sagte Bill Alexander, sobald der
Applaus verklungen war. »Ich möchte der Erste sein, der Ihnen
beiden dazu gratuliert, dass Sie sich Alexander Dupont & Bell
anschließen dürfen.
Aber seien Sie gewarnt: Wenn Sie das nächste Mal solch einen
Beifall von Ihren Kollegen hören, dann, weil man Sie als Partner
aufgenommen hat, und das wird frühestens in sieben Jahren der
Fall sein. Im Laufe des Vormittags treffen Sie sich mit
verschiedenen Vertretern unserer Verwaltung, die all Ihre
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Fragen beantworten werden. Fletcher, Sie wurden Matthew
Cunliffe zugewiesen, der unserer Strafrechtsabteilung vorsteht.
Sie, Logan, berichten an Graham Simpson von Übernahmen und
Fusionen. Um 12 Uhr 30 kehren Sie beide hierher zurück und
essen mit den Partnern zu Mittag.«
Das Mittagessen erwies sich als eine nette Abwechslung nach
dem zermürbenden Prozess der verwaltungstechnischen
Gespräche. Die Partner verhielten sich nicht länger wie Mr
Hyde, sondern verwandelten sich in Dr. Jekyll. Rollenspiele, die
sie jeden Tag für Mandanten und gegnerische Anwälte
aufführten.
»Ich habe gehört, dass Sie beide vermutlich als Jahrgangsbeste
abschließen werden«, sagte Bill Alexander, als der Hauptgang
aufgetragen wurde – es gab keine Vorspeise und auch keinen
Alkohol, nur Mineralwasser. »Das kann ich nur hoffen, weil ich
noch nicht entschieden habe, welche Büros ich Ihnen zuweisen
soll.«
»Und falls einer von uns durchfallen sollte?«, fragte Fletcher
nervös.
»Dann werden Sie Ihr erstes Jahr im Postraum verbringen und
anderen Kanzleien Schriftstücke zustellen.« Mr Alexander
schwieg.
»Zu Fuß.« Niemand lachte und Fletcher war sich nicht sicher,
ob er es auch so meinte. Der Seniorpartner wollte gerade
weiterreden, als es an der Tür klopfte und seine Sekretärin
eintrat.
»Ein Anruf für Sie auf Leitung drei, Mr Alexander.«
»Ich wollte doch nicht gestört werden, Mrs Townsend.«
»Es ist ein Notfall, Sir.«
Bill Alexander nahm den Hörer des Telefons ab. Sein
grimmiger
Gesichtsausdruck
verschwand,
während
er
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aufmerksam lauschte. »Ich werde es ihm ausrichten.« Er legte
auf.
»Darf ich Ihnen als Erster gratulieren, Fletcher«, sagte der
Seniorpartner. Fletcher war verwundert, denn er wusste, dass die
Abschlussnoten erst in einer Woche bekannt gegeben würden.
»Sie sind der stolze Vater eines kleinen Mädchens. Mutter und
Tochter geht es gut. Ich wusste vom ersten Moment an, dass
Annie genau die Sorte Frau ist, die wir bei Alexander Dupont &
Bell zu schätzen wissen.«
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»LUCY.«
»Was ist mit Ruth oder Martha?«
»Wir können ihr alle drei Namen geben, das wird unsere
Mütter glücklich machen«, lenkte Fletcher ein, »aber ihr
Rufname lautet Lucy.« Er lächelte und legte seine Tochter
vorsichtig zurück in ihre Wiege.
»Hast du darüber nachgedacht, wo wir wohnen werden?«,
fragte Annie. »Ich möchte nicht, dass Lucy in New York
aufwächst.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Fletcher und kitzelte seine
Tochter unter dem Kinn. »Ich habe mit Matt Cunliffe
gesprochen und er hat mir erzählt, dass er bei seinem Eintritt in
die Kanzlei dasselbe Problem hatte.«
»Und?«
»Er hat drei oder vier Kleinstädte in New Jersey
vorgeschlagen, die weniger als eine Stunde von der Grand
Central Station entfernt liegen. Ich dachte, wir fahren nächsten
Freitag hoch und verbringen ein verlängertes Wochenende dort.
Vielleicht finden wir eine Gegend, die uns besonders gut
gefällt.«
»Vermutlich müssen wir anfangs etwas mieten, bis wir genug
Geld gespart haben, um ein Haus zu kaufen«, sinnierte Annie.
»Anscheinend nicht. Die Kanzlei zieht es vor, wenn wir
Eigentum
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