Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
heraufbeschworen. Wenn wir Glück haben, sind wir an Eurem Geburtstag bei Sonnenuntergang fertig!«
»Das ist inakzeptabel, Horrorgesicht«, erwiderte Seth ruhig.
Der Diener zuckte zusammen. Mit Horrorgesicht war offensichtlich er gemeint. Ich fragte mich, wie lange seine Mutter wohl gebraucht hatte, bis ihr dieser Name eingefallen war. Bob? Nein. Sam? Nein. Wie wär’s mit Horrorgesicht?
»A-aber, Meister«, stammelte Gesicht. »Ich dachte –«
»Ich hab dich nicht zum Denken angestellt, Dämon. Unsere Feinde sind überraschend einfallsreich. Sie haben mein Lieblingstier vorübergehend außer Gefecht gesetzt und sind uns nun auf den Fersen. Wir müssen fertig werden, bevor sie eintreffen. Sonnenaufgang an meinem Geburtstag, Horrorgesicht. Keine Minute später. Das wird der Beginn meines neuen Königreichs sein. Ich werde auf diesem Kontinent alles Leben auslöschen und diese Pyramide wird das Denkmal meiner Macht – das letzte und ewige Grab des Osiris!«
Mir blieb fast das Herz stehen. Ich sah wieder zu der Pyramide herunter und mir wurde klar, warum sie sich so vertraut anfühlte. Sie verströmte eine Energie – die Energie meines Vaters! Ich kann nicht erklären, wieso, aber ich wusste, dass sein Sarkophag irgendwo in dieser Pyramide versteckt sein musste.
Ein grausames Lächeln spielte um Seths Mund, er schien sich darüber zu freuen, dass Horrorgesicht ihm gehorchen musste oder er ihn andernfalls in Stücke reißen konnte. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, Gebieter!« Horrorgesicht trat von einem Vogelfuß auf den anderen, als nehme er seinen ganzen Mut zusammen. »Aber darf ich fragen, Gebieter … Warum belasst Ihr es dabei?«
Seths Nasenflügel blähten sich. »Noch so ein Satz und es ist dein Ende, Horrorgesicht. Überleg dir deine nächsten Worte gut.«
Der Dämon fuhr sich mit der schwarzen Zunge über die Zähne. »Nun, Gebieter, ist die Vernichtung nur eines einzigen Gottes Eurer ruhmreichen Person würdig? Was wäre, wenn wir noch mehr Chaosenergie heraufbeschwören würden – und dann füllen wir Eure Pyramide für alle Ewigkeit damit und machen Euch zum Herrn aller Welten?«
In Seths Augen flackerte ein gieriges Leuchten auf. »›Herr aller Welten‹ klingt nicht schlecht. Und wie willst du das anstellen, du armseliges Dämonenwürstchen?«
»Ach, nicht ich, mein Gebieter. Ich bin ein unbedeutender Wurm. Wenn wir jedoch auch noch die anderen gefangen nehmen würden: Nephthys –«
Seth versetzte Horrorgesicht einen Schlag gegen die Brust und der Dämon klappte schnaufend zusammen. »Ich hab dir gesagt, du sollst ihren Namen nie wieder erwähnen.«
»Ja, Meister«, keuchte Gesicht. »Es tut mir leid, Meister. Doch wenn wir sie gefangen nehmen würden und die anderen auch … Stellt Euch die ganze Macht vor, die Ihr in Euch aufnehmen könntet. Mit dem richtigen Plan …«
Seth fing zu nicken an, offenbar erwärmte er sich allmählich für die Idee. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir von Amos Kane Gebrauch machen.«
Ich erstarrte. War Amos hier?
»Genial, Meister. Ein genialer Plan.«
»Ja, ich bin froh, dass ich daran gedacht habe. Bald, Horrorgesicht, sehr bald, werden Horus, Isis und mein betrügerisches Weib vor mir zu Kreuze kriechen – und Amos wird dabei helfen. Wir feiern eine nette kleine Familienzusammenführung.«
Seth sah nach oben – genau zu mir, er schien die ganze Zeit gewusst zu haben, dass ich dort oben war, und jetzt bedachte er mich mit einem Lächeln, das keinen Zweifel ließ: Aus dir mache ich Hackfleisch. »Stimmt’s, Junge?«
Ich wollte meine Flügel ausbreiten und davonfliegen. Ich musste aus dieser Höhle raus und Sadie warnen. Doch meine Flügel verweigerten den Dienst. Als Seth die Hand ausstreckte, um mich zu packen, saß ich wie gelähmt da.
SADIE
23.
Professor Thots Abschlussprüfung
Sadie hier. Sorry wegen der Verzögerung, aber vermutlich kriegt ihr das bei einer Aufnahme gar nicht mit. Mein fingerfertiger Bruder hat das Mikrofon in eine Grube mit … ach, egal. Zurück zur Geschichte.
Als Carter aufwachte, schreckte er dermaßen hoch, dass er mit den Knien gegen den Klapptisch knallte, was ziemlich lustig war.
»Gut geschlafen?«, erkundigte ich mich.
Er blinzelte mich verwirrt an. »Du bist ja wieder ein Mensch.«
»Wie reizend, dass es dir auffällt.«
Ich biss noch einmal von meiner Pizza ab. Noch nie hatte ich Pizza von einem Porzellanteller gegessen oder Cola aus einem Glas getrunken (natürlich mit
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