Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
hast –«
»Moment mal.« Carter sah zu mir. »Ich hab ihr den Kopf abgeschlagen?«
Ich habe mich wieder erholt, beruhigte mich Isis.
»Nur, weil ich dich geheilt habe, Isis!«, rief Thot. »Und es stimmt, Carter, Horus, wie immer du heißt, du warst so sauer, dass du ihr den Kopf abgeschlagen hast. Du warst so was von leichtsinnig – du wolltest dich nämlich mit Seth anlegen, obwohl du noch schwach warst, und Isis wollte dich davon abhalten. Da bist du dermaßen wütend geworden, dass du dein Schwert gezogen hast – tja, das Entscheidende ist, bevor ihr Seth überhaupt besiegen konntet, habt ihr euch um ein Haar gegenseitig umgebracht. Wenn ihr einen neuen Kampf gegen den Roten Lord anzettelt, nehmt euch in Acht. Er wird die Mächte des Chaos einsetzen, um euch gegeneinander aufzubringen.«
Wir werden ihn wieder besiegen, versprach Isis. Thot ist bloß eifersüchtig.
»Halt die Klappe«, sagten Thot und ich gleichzeitig.
Er sah mich überrascht an. »Also, Sadie … du versuchst, alles im Griff zu behalten. Aber das wird nicht so bleiben. Du stammst zwar vielleicht von den Pharaonen ab, aber Isis ist eine hinterhältige, machthungrige –«
»Ich werde schon mit ihr fertig«, beruhigte ich ihn, während ich gleichzeitig meine ganze Willenskraft aufbringen musste, um Isis davon abzuhalten, einen Schwall Beleidigungen abzulassen.
Thot fingerte am Bund seiner Gitarre herum. »Sei dir da mal nicht so sicher. Isis hat dir vielleicht erzählt, dass sie geholfen hat, Seth zu schlagen. Aber hat sie dir auch erzählt, dass sie der Grund war, warum Seth überhaupt so ausgerastet ist? Sie hat unseren ersten König in die Verbannung geschickt.«
»Du meinst Re?«, fragte Carter. »Wurde er nicht alt und beschloss, die Erde zu verlassen?«
Thot schnaubte. »Er war alt, das stimmt, aber er wurde gezwungen zu gehen. Isis hatte keine Lust zu warten, bis er sich endlich zur Ruhe setzen würde. Sie wollte ihren Gatten, Osiris, auf dem Königsthron sehen. Außerdem wollte sie mehr Macht. Und so hat Isis eines Tages, als Re schlief, heimlich ein bisschen Speichel des Sonnengottes aufgesammelt.«
»Igitt«, erwiderte ich. »Seit wann verleiht einem Sabber Macht?«
Thot funkelte mich vorwurfsvoll an. »Die Spucke hat sie mit Lehm vermischt, um eine Giftschlange zu formen. In jener Nacht schlüpfte die Schlange in Res Schlafzimmer und biss ihn in den Knöchel. Keine Form von Magie, nicht mal meine, konnte ihn heilen. Re wäre gestorben –«
»Götter können sterben?«, fragte Carter.
»Oh ja«, antwortete Thot. »Meistens erheben wir uns natürlich wieder aus der Duat – irgendwann. Dieses Gift zehrte jedoch sehr an Res Substanz. Isis tat natürlich so, als hätte sie nichts damit zu tun. Sie weinte, weil sie sah, dass Re Schmerzen hatte. Sie versuchte, ihm mit ihren Zauberkünsten zu helfen. Schließlich erklärte sie, dass es nur einen Weg gab, ihn gesund zu machen: Re musste ihr seinen geheimen Namen verraten.«
»Seinen geheimen Namen?«, fragte ich. »So wie Bruce Wayne statt Batman, oder was?«
»Jeder Teil der Schöpfung hat einen geheimen Namen«, erwiderte Thot. »Sogar Götter. Wenn man den geheimen Namen eines Geschöpfs kennt, verleiht einem dieses Wissen Macht über denjenigen. Isis versprach, sie könne Re heilen, wenn sie seinen geheimen Namen erfahren würde. Re hatte solche Schmerzen, dass er zustimmte. Und Isis heilte ihn tatsächlich.«
»Doch seitdem hatte sie Macht über ihn«, vermutete Carter.
»Gewaltige Macht«, pflichtete Thot bei. »Sie zwang Re, sich in den Himmel zurückzuziehen und für ihren Liebling Osiris den Weg frei zu machen, damit er zum neuen König der Götter werden konnte. Seth aber war immer ein wichtiger Stellvertreter Res, deshalb konnte er es nicht ertragen, dass sein Bruder Osiris König wurde. So wurden Osiris und Seth zu Feinden und hier stehen wir nun fünf Jahrtausende später, fechten noch immer diesen Kampf aus – und das alles wegen Isis.«
»Aber es ist nicht meine Schuld!«, sagte ich. »So etwas würde ich nie tun.«
»Ach ja?«, fragte Thot. »Würdest du nicht alles tun, um deine Familie zu retten, selbst wenn es das Gleichgewicht des Kosmos durcheinanderbringen würde?«
Er musterte mich eindringlich mit seinen Kaleidoskopaugen und ich spürte, wie sich Trotz in mir regte. Warum sollte ich meiner Familie auch nicht helfen? Was bildete sich dieser Spinner im Laborkittel ein, mir zu erzählen, was ich tun oder nicht tun konnte?
Plötzlich wurde
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