Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Kriegerin des Sonnengottes, das Instrument seines Willens. Könnt ihr euch vorstellen, welche Ehre das war?«
Sie fuhr die Krallen aus und betrachtete sie. »Wenn Leute Bilder von Res Kriegerkatze sehen, denken sie immer, es wäre Sachmet, die Löwin. Und sie war in der Tat seine erste Kriegerin, das stimmt. Aber sie war zu brutal, sie kannte keine Grenzen. Irgendwann wurde Sachmet in den Hintergrund gedrängt und Re erwählte mich zu seiner Kämpferin: die kleine Bastet.«
»Warum sagst du das so beschämt?«, fragte Sadie. »Du hast doch gesagt, es war eine Ehre.«
»Zuerst war ich stolz, Sadie. Ich habe ewig gegen die Schlange gekämpft. Katzen und Schlangen sind Todfeinde. Ich habe es gut gemacht. Doch dann zog sich Re in den Himmel zurück. Mit seinem letzten Zauberspruch band er mich an die Schlange. Er warf uns beide in einen Abgrund, wo ich gegen die Schlange kämpfen und sie für immer unter Kontrolle halten musste.«
Allmählich dämmerte es mir. »Du warst also keine unbedeutende Gefangene. Du warst länger als jede andere Gottheit eingesperrt.«
Sie schloss die Augen. »Ich erinnere mich immer noch an Res Worte: ›Meine treue Katze. Dies ist deine wichtigste Pflicht.‹ Und ich war so stolz darauf, es zu tun … jahrhundertelang. Dann Jahrtausende. Könnt ihr euch vorstellen, wie das war? Es bedeutete Messer gegen Zähne, Stechen und Schlagen, es war ein ewiges Ringen in der Dunkelheit. Unsere Lebenskräfte wurden schwächer, sowohl meine eigenen als auch die meines Feindes, und mir wurde klar, dass genau das Res Absicht gewesen war. Die Schlange und ich würden uns gegenseitig zerfleischen und die Welt wäre in Sicherheit. Nur weil er wusste, dass das Chaos Maat nicht überwältigen würde, konnte sich Re guten Gewissens zurückziehen. Ich hätte meine Pflicht auch erfüllt. Ich hatte keine Wahl. Bis eure Eltern –«
»Dir die Chance gaben zu flüchten«, beendete ich den Satz. »Und du hast sie ergriffen.«
Bastet sah niedergeschlagen auf. »Ich bin die Königin der Katzen. Ich habe viele Stärken. Aber um ehrlich zu sein, Carter … Katzen sind nicht besonders tapfer.«
»Und Ap… dein Feind?«
»Er blieb im Abgrund gefangen. Da waren sich euer Vater und ich sicher. Die Schlange war von den ewigen Kämpfen mit mir schon sehr geschwächt, und dass eure Mutter ihre eigene Lebenskraft einsetzte, um den Abgrund zu schließen, tja, das war … ein wirklich mächtiger Zauber. Eigentlich hätte die Schlange nicht in der Lage sein sollen, diese Art Siegel zu durchbrechen. Doch im Lauf der Jahre bekamen wir immer mehr Zweifel … ob das Gefängnis wirklich sicher war. Wenn es ihr irgendwie gelingen würde, auszubrechen und wieder zu Kräften zu kommen … Nicht auszudenken, was passieren könnte. Und es wäre alles meine Schuld.«
Ich versuchte mir die Schlange, Apophis, vorzustellen – ein Geschöpf des Chaos, das noch schlimmer als Seth war. Ich malte mir Bastet mit ihren Messern aus, wie sie in ihrem Gefängnis in den ewigen Kampf gegen dieses Ungeheuer verstrickt war. Vielleicht hätte ich böse auf Bastet sein sollen, dass sie uns die Wahrheit nicht früher erzählt hatte. Stattdessen tat sie mir leid. Sie war in derselben Lage gewesen wie wir jetzt – sie sollte eine Aufgabe erfüllen, die sie überforderte.
»Und warum haben dich meine Eltern befreit?«, wollte ich wissen. »Haben sie was gesagt?«
Sie nickte langsam. »Ich stand kurz davor, meinen Kampf zu verlieren. Euer Vater hat mir erzählt, dass eure Mutter … schreckliche Dinge vorhergesehen hat, falls mich die Schlange besiegen würde. Sie mussten mich befreien und mir die Möglichkeit verschaffen, mich zu erholen. Sie sagten, es wäre der erste Schritt, die Götter wieder auf den Thron zu bringen. Ich behaupte nicht, dass ich ihren ganzen Plan verstehe. Ich habe das Angebot eures Vaters erleichtert angenommen und war überzeugt, im Sinne der Götter zu handeln. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass ich feige war. Ich habe meine Pflicht vernachlässigt.«
»Es ist nicht deine Schuld«, tröstete ich sie. »Es war unfair von Re, so etwas von dir zu verlangen.«
»Carter hat Recht«, stimmte Sadie zu. »Es ist ein zu großes Opfer für eine Person – für eine Katzengöttin, was weiß ich.«
»Es war der Wille meines Königs«, erklärte Bastet. »Der Pharao darf seinen Untertanen zum Wohle des Königreichs Befehle erteilen – sogar den Befehl, ihr Leben zu opfern – und sie müssen gehorchen. Horus weiß
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