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Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Titel: Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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haben.«
    »Warum sind sie so traurig?«, fragte ich.
    »Tja, sie sind tot«, vermutete Carter.
    »Nein, es ist mehr als das«, widersprach ich. »Es sieht aus … als würden sie auf jemanden warten.«
    »Re«, erklärte Bastet. »Für Ewigkeiten nahm Res prächtige Sonnenbarke jede Nacht diese Route, um die Streitkräfte des Apophis abzuwehren.« Sie sah sich nervös um, als erinnere sie sich an frühere Situationen, in denen sie aus dem Hinterhalt überfallen worden war. »Es war gefährlich: Jede Nacht bedeutete einen Kampf auf Leben und Tod. Doch im Vorbeifahren brachte Re Sonnenlicht und Wärme in die Duat und diese verlorenen Seelen freuten sich und erinnerten sich an die Welt der Lebenden.«
    »Aber das ist bloß eine Legende«, wandte Carter ein. »Die Erde dreht sich um die Sonne. In Wirklichkeit sinkt die Sonne niemals unter die Erde.«
    »Du hast Ägypten noch immer nicht richtig verstanden, oder?«, fragte Bastet. »Auch wenn sich Geschichten widersprechen, können beide wahr sein. Ja, die Sonne ist ein Feuerball im Weltraum. Aber das Bild, das du von ihr siehst, wenn sie über den Himmel wandert, die lebensspendende Wärme und das Licht, das sie der Erde gibt – das wurde durch Re verkörpert. Die Sonne war sein Thron, die Quelle seiner Macht, sein ureigenstes Wesen. Doch nun hat sich Re ganz in den Himmel zurückgezogen. Er schläft und die Sonne ist nichts weiter als die Sonne. Res Barke fährt bei ihrem Umlauf nicht mehr durch die Duat. Er bringt kein Licht mehr in die Dunkelheit und die Toten spüren seine Abwesenheit am stärksten.«
    »Oh ja«, stimmte Blutige Klinge zu, obwohl es ihn nicht weiter zu berühren schien. »Die Legende besagt, dass die Welt untergehen wird, wenn Re zu müde wird, um in seinem geschwächten Zustand weiterzuleben. Apophis wird die Sonne verschlucken. Die Dunkelheit wird regieren. Chaos wird Maat überwältigen und die Schlange wird in alle Ewigkeit herrschen.«
    Ein Teil von mir verwarf diese Vorstellung. Das war doch absurd. Die Planeten würden schon nicht aufhören, sich zu drehen. Die Sonne würde weiterhin jeden Tag aufgehen.
    Andererseits fuhr ich mit einem Dämon und einer Gottheit auf einem Boot durchs Land der Toten. Falls Apophis genauso wirklich war, wollte ich ihn lieber nicht kennenlernen.
    Und ehrlich gesagt fühlte ich mich schuldig. Wenn es stimmte, was Thot mir erzählt hatte, dann hatte Isis durch diese Geschichte mit dem geheimen Namen Re dazu veranlasst, sich in den Himmel zurückzuziehen. Was auf alberne, nervende Weise bedeutete, dass der Weltuntergang meine Schuld wäre. Mal wieder typisch. Am liebsten hätte ich mich selbst geohrfeigt, um Isis eine Lektion zu erteilen, aber das tat vermutlich weh.
    »Re sollte aufwachen und den Sahlab riechen«, sagte ich. »Er sollte zurückkommen.«
    Von Bastet kam ein freudloses Lachen. »Und die Welt sollte wieder jung sein, Sadie. Ich wünschte, es wäre so einfach …«
    Cheops grunzte und deutete nach vorn. Er übergab dem Kapitän wieder das Steuer und rannte von der Brücke und die Treppe hinunter.
    »Der Pavian hat Recht«, stellte Blutige Klinge fest. »Sie sollten zum Bug gehen. Bald wird eine Herausforderung auf Sie zukommen.«
    »Was für eine Herausforderung denn?«, fragte ich.
    »Schwer zu sagen«, antwortete Blutige Klinge und ich meinte selbstgefällige Zufriedenheit herauszuhören. »Ich wünsche Ihnen Glück, Lady Kane.«
    »Warum wünscht er mir Glück?«, murrte ich.
    Bastet, Carter und ich standen am Bug des Bootes und beobachteten, wie der Fluss aus der Dunkelheit auftauchte. Unter uns leuchteten schwach die aufgemalten Augen des Bootes und sandten Lichtstrahlen über das rote Wasser. Cheops war auf die Spitze des Landungsstegs hinaufgeklettert, der senkrecht stand, wenn er nicht ausgefahren war, und hielt die Hand über die Augen wie ein Matrose im Mastkorb.
    Doch die ganze Wachsamkeit half nicht viel. Wegen der Dunkelheit und des Nebels konnten wir absolut nichts erkennen. Gewaltige Felsen, zerbrochene Säulen und zerfallende Pharaonenstatuen ragten aus dem Nichts empor, so dass Blutige Klinge immer wieder das Steuerrad zur Seite riss, um ihnen auszuweichen, und wir uns an der Reling festhalten mussten. Von Zeit zu Zeit sahen wir längliche glitschige Umrisse unter der Wasseroberfläche dahingleiten, Greifarme oder die Rücken von untergetauchten Geschöpfen – ich wollte es gar nicht wissen.
    »Sterbliche Seelen werden immer herausgefordert«, erklärte mir Bastet. »Ihr müsst

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