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Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Titel: Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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wirkte so verwirrt, dass ich dachte, er würde sich überhaupt nicht mehr in den Griff kriegen. »Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte ich.
    Wir folgten Bastet zur Brücke, wo Blutige Klinge eine Karte studierte, während Cheops den Steuermann spielte – äh, den Steuerpavian.
    »Der Affe hat das Steuer übernommen«, bemerkte ich. »Sollte ich mir Sorgen machen?«
    »Bitte Ruhe, Lady Kane.« Blutige Klinge fuhr mit den Fingern über eine lange Papyruskarte. »Das ist Feinarbeit. Zwei Grad steuerbord, Cheops.«
    »Agh!« , antwortete Cheops.
    Der Himmel war schon dunkel, und während wir dahintuckerten, verblassten die Sterne. Der Fluss nahm die Farbe von Blut an. Dunkelheit verschluckte den Horizont und entlang des Ufers verwandelten sich die Lichter der Städte zu flackernden Feuern, schließlich erloschen auch sie.
    Nun gaben nur noch unsere vielfarbigen Dienerlichter und der glitzernde Rauch aus den Schornsteinen Helligkeit ab, was uns allen ein seltsames metallisches Schimmern verlieh.
    »Wir sollten direkt darauf zusteuern«, kündigte der Kapitän an. Im schwachen Licht sah seine rotbefleckte Axtklinge furchterregender aus als je zuvor.
    »Was ist das für eine Karte?«, fragte ich.
    »Zaubersprüche über das Heraustreten ins Tageslicht« , antwortete er. »Keine Sorge. Es ist eine gute Abschrift.«
    Ich sah Carter fragend an und wartete auf eine Erklärung.
    »Die meisten Leute nennen es das Totenbuch«, erwiderte er. »Reiche Ägypter wurden immer mit einer Kopie davon begraben, damit sie den Weg durch die Duat ins Land der Toten fanden. Es ist so was wie ein Jenseitsführer für Idioten.«
    Der Kapitän brummte missbilligend. »Ich bin kein Idiot, Lord Kane.«
    »Nein, nein, ich wollte bloß sagen …« Carter stockte. »Äh, was ist das da?«
    Wie Reißzähne ragten Steilklippen vor uns aus dem Fluss und verwandelten das Wasser in eine brodelnde Masse voller Stromschnellen.
    »Der Erste Katarakt«, kündigte Blutige Klinge an. »Halten Sie sich fest.«
    Cheops riss das Steuerrad nach links und der Dampfer schleuderte seitwärts und schoss zwischen zwei Felsspitzen hindurch, es fehlten nur Zentimeter. Ich bin wirklich keine Tussi, die immer gleich loskreischt, aber ganz ehrlich, ich habe mir die Seele aus dem Leib geschrien. [Und sieh mich nicht so an, Carter. Du warst nicht viel besser.]
    Wir kamen an einer Strecke Wildwasser – oder Blutwasser – vorbei und machten einen Schwenk, um einem Felsbrocken von der Größe des Bahnhofs Paddington auszuweichen. Der Dampfer nahm zwei weitere selbstmörderische Kurven zwischen zwei Felsblöcken hindurch, anschließend vollführte er eine 360-Grad-Drehung um einen wirbelnden Strudel, dann stürzte er einen Wasserfall hinunter zehn Meter in die Tiefe und schlug so hart auf, dass es in meinen Ohren wie ein Schuss widerhallte.
    Wir fuhren weiter flussabwärts, als wäre nichts passiert, das Tosen der Stromschnellen hinter uns wurde schwächer.
    »Ich kann Katarakte nicht leiden«, entschied ich. »Kommen noch mehr von den Dingern?«
    »Zum Glück keine so großen mehr«, erwiderte Bastet, die auch ziemlich seekrank aussah. »Wir haben übergesetzt ins –«
    »Land der Toten«, beendete Carter den Satz.
    Er deutete auf das Ufer, über dem ein dichter Nebel lag. In der Dunkelheit lauerten seltsame Dinge: flackernde Lichter von Geistern, riesige Nebelgesichter, massige Schatten, die zu keinem Körper zu gehören schienen. An den Ufern schleppten sich alte Knochen durch den Schlamm und verbanden sich mit anderen Gebeinen zu willkürlichen Mustern.
    »Das ist vermutlich nicht der Mississippi«, stellte ich fest.
    »Der Fluss der Nacht«, summte Blutige Klinge. »Er verkörpert jeden und doch keinen Fluss – den Mississippi, den Nil, die Themse. Er fließt durch die ganze Duat und hat viele Flussarme und Nebenflüsse.«
    »Sehr einleuchtend«, brummte ich.
    Die Szenerie wurde immer bizarrer. Wir sahen Geisterstädte aus alten Zeiten – kleine Gruppen von Schilfhütten, die aus flackerndem Rauch bestanden. Wir sahen gewaltige Tempel, die zerfielen und sich immer wieder selbst aufbauten wie in einer Endlosschleife. Und überall wandten Geister unserem vorüberfahrenden Boot die Gesichter zu. Rauchige Hände streckten sich uns entgegen. Schatten riefen lautlos nach uns und drehten sich verzweifelt weg, als wir weiterfuhren.
    »Die Verlorenen und Verwirrten«, erklärte Bastet. »Geister, die nie den Weg in die Halle der beiden Wahrheiten gefunden

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