Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Pavian schnüffelte daran und stopfte sie in einen Beutel mit Kochutensilien. Er warf mir einen letzten nervösen Blick zu, sah ängstlich zu Amos, schließlich schlenderte er mit der Tasche unter dem einen und Muffin unter dem anderen Arm über die Düne davon.
Wie sollten sie hier draußen überleben, Magie hin oder her? Ich wartete darauf, dass Cheops auf dem Kamm der nächsten Düne auftauchen würde, aber das passierte nicht. Er war verschwunden.
»Also dann«, sagte Amos. »Nach dem, was Carter mir erzählt hat, scheint Seth sein Zerstörungswerk morgen bei Sonnenaufgang in Gang setzen zu wollen. Damit bleibt uns nur wenig Zeit. Was Carter allerdings nicht erläutert hat, ist euer Plan, wie ihr Seth ausschalten wollt.«
Als ich zu Carter schaute, sah ich etwas Warnendes in seinem Blick. Ich verstand ihn auf der Stelle und fühlte einen Anflug von Dankbarkeit. Vielleicht war der Junge doch nicht ganz blöd. Er teilte meine Bedenken.
»Es ist das Beste, wir behalten es für uns«, erklärte ich Amos leichthin. »Das hast du selbst gesagt. Was, wenn Seth an dir irgendein magisches Abhörgerät oder so was befestigt hat?«
Amos’ Kiefer spannte sich an. »Du hast Recht«, meinte er widerwillig. »Ich kann mir selbst nicht trauen. Es ist einfach … so frustrierend.«
Es schien ihn wirklich zu quälen und ich fühlte mich schuldig. Fast hätte ich meine Meinung geändert und ihm unseren Plan verraten, doch ein Blick zu Carter genügte und ich blieb bei meinem Beschluss.
»Wir sollten uns nach Phoenix aufmachen«, schlug ich vor. »Vielleicht auf dem Weg …«
Ich schob die Hand in meine Hosentasche. Nuts Brief war verschwunden. Ich wollte Carter von meinem Gespräch mit dem Erdgott Geb erzählen, aber ich wusste nicht, ob es vor Amos ratsam war. Carter und ich waren jetzt seit so vielen Tagen ein Team, dass ich die Anwesenheit von Amos geradezu als störend empfand. Ich wollte niemand anderem etwas anvertrauen. Mann, ich kann echt nicht glauben, was ich da gerade gesagt habe.
Carter meldete sich zu Wort. »Wir sollten in Las Cruces einen Zwischenstopp einlegen.«
Ich weiß nicht, wer überraschter war, Amos oder ich.
»Das muss hier irgendwo in der Nähe sein«, sagte Amos bedächtig. »Aber …« Er nahm eine Handvoll Sand, murmelte einen Zauberspruch und warf den Sand in die Luft. Die Sandkörner fielen nicht zu Boden, sondern formierten sich zu einem schwebenden, wankenden Pfeil, der nach Südwesten auf eine Reihe zerklüfteter Berge deutete, die sich dunkel vom Horizont abhoben.
»Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte Amos und nun rieselte der Sand zu Boden. »Las Cruces liegt über sechzig Kilometer vom Weg ab – hinter diesen Bergen dort. Phoenix ist im Nordwesten.«
»Sechzig Kilometer ist nicht so viel«, erwiderte ich. »Las Cruces …« Der Name kam mir seltsam bekannt vor, ich konnte jedoch nicht sagen, weshalb. »Carter, warum sollen wir dorthin?«
»Ich hatte bloß …« Er wirkte so peinlich berührt, dass es etwas mit Zia zu tun haben musste. »Ich hatte eine Vision.«
»Eine Vision der Schönheit?«, wagte ich mich vor.
Dass er aussah, als wolle er einen Golfball herunterschlucken, bestätigte meinen Verdacht. »Ich denke einfach, wir sollten dorthin fahren«, erwiderte er. »Vielleicht finden wir etwas Wichtiges.«
»Zu riskant«, wiegelte Amos ab. »Das kann ich nicht zulassen, wenn euch das Lebenshaus auf den Fersen ist. Wir sollten in unbewohnten Gebieten bleiben, weit weg von den Städten.«
Plötzlich machte es klick . Mein Hirn erlebte einen jener seltenen Augenblicke, in denen es tatsächlich funktionierte.
»Nein, Carter hat Recht«, sagte ich. »Wir müssen dorthin.«
Jetzt war mein Bruder an der Reihe, überrascht auszusehen. »Ich hab Recht? Müssen wir dorthin?«
»Ja.« Ich rang mich dazu durch, ihnen von meiner Unterhaltung mit Geb zu erzählen.
Amos wischte sich Sand vom Jackett. »Das ist interessant, Sadie. Aber ich verstehe nicht, was Las Cruces damit zu tun hat.«
»Es ist Spanisch, oder nicht?«, fragte ich. »Las Cruces. Die Kreuze. Genau wie Geb mir gesagt hat.«
Amos zögerte, dann nickte er widerwillig. »Steig ins Boot.«
»Bisschen wenig Wasser für eine Bootsfahrt, oder?«, fragte ich.
Doch ich folgte ihm an Bord. Amos zog seinen Mantel aus und murmelte ein Zauberwort. Sofort erwachte der Mantel zum Leben, schwebte zum Heck und packte das Ruder.
Amos lächelte mich an, in seinen Augen lag wieder etwas von der alten Verschmitztheit. »Wer
Weitere Kostenlose Bücher