Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Höhlenboden. Wahrscheinlich hatten wir gerade einen hübschen Stapel Dämonenpfannkuchen produziert.
»Das ist doch schon mal ein Anfang«, stellte Carter fest, doch wie gewöhnlich war er mit seiner Bemerkung voreilig.
Zia deutete auf den Höhlenboden. »Schaut mal.«
Sämtliche Dämonen mit Flügeln – zwar nur ein kleiner Prozentsatz, trotzdem waren es gut und gern vierzig oder fünfzig von ihnen – hatten sich in die Luft erhoben und surrten auf uns zu wie ein wütender Wespenschwarm.
»Fliegt zur Pyramide«, befahl Amos. »Ich lenke sie ab.«
Zum Eingang der Pyramide, einer einfachen Türöffnung zwischen zwei Säulen am Fuße des Bauwerks, war es nicht weit. Er wurde von ein paar Dämonen bewacht, die meisten von Seths Gefolgsleuten rannten allerdings unserem Boot hinterher, schrien und warfen Steine (die die Tendenz hatten, wieder herunterzufallen und ihnen auf den Kopf zu klatschen, aber es hat ja auch niemand behauptet, Dämonen wären besonders helle).
»Es sind zu viele«, wandte ich ein. »Amos, sie werden dich umbringen.«
»Mach dir um mich keine Sorgen«, antwortete er grimmig. »Versiegelt den Eingang hinter euch.«
Er schubste mich über Bord. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich in einen Milan zu verwandeln. Carter in Falkengestalt steuerte bereits auf den Eingang zu, hinter uns hörte ich Zias Geier mit den großen Schwingen schlagen.
Ich hörte Amos schreien: »Brooklyn!«
Ein seltsamer Schlachtruf. Ich sah hinter mich, wo das Boot in Flammen aufging. Langsam schwebte es von der Pyramide weg und auf die Armee von Ungeheuern zu. Als Teile des Schiffsrumpfes abbrachen, schossen vom Boot Feuerbälle in alle Richtungen. Mir blieb keine Zeit, Amos’ Zauberkünste zu bewundern oder mir Sorgen um ihn zu machen. Mit seinem Feuerwerk lenkte er viele Dämonen ab, trotzdem bemerkten uns einige.
Carter und ich landeten zwischen den offen stehenden Türen der Pyramide und nahmen wieder Menschengestalt an. Zia taumelte neben uns herein und verwandelte ihren Geier wieder in ein Amulett. Die Dämonen waren uns dicht auf den Fersen – es waren ein Dutzend bullige Typen mit den Köpfen von Insekten, Drachen und allen möglichen Taschenmesserwerkzeugen.
Carter streckte die Hand vor. Kurz darauf erschien eine riesige schimmernde Faust und ahmte seine Bewegung nach – sie zielte genau zwischen Zia und mich und knallte die Türen zu. Carter schloss die Augen und konzentrierte sich, daraufhin brannte sich ein glühendes goldenes Symbol wie ein Siegel quer über die Türflügel ein: das Horusauge. Als die Dämonen von draußen dagegenhämmerten und versuchten, in die Pyramide einzudringen, leuchteten die Konturen schwach auf.
»Das Siegel wird sie nicht lange abhalten«, sagte Carter.
Ich war echt beeindruckt, auch wenn ich das natürlich nicht zugab. Und ich musste an Amos denken, der draußen auf einem brennenden Boot von einer Monsterarmee umzingelt war.
»Amos weiß, was er tut«, versuchte mich Carter zu beruhigen, auch wenn er nicht besonders überzeugt klang. »Vermutlich geht’s ihm gut.«
»Kommt«, trieb uns Zia an. »Keine Zeit zum Kopfzerbrechen.«
Der Tunnel war eng, rot und feucht, ich hatte das Gefühl, durch die Arterie irgendeiner riesigen Bestie zu kriechen. Wir liefen im Gänsemarsch, als der Gang plötzlich steil vor uns abfiel – das hätte eine super Wasserrutsche abgegeben, machte es aber ziemlich schwierig, vorsichtig weiterzugehen. Wie bei den meisten ägyptischen Wänden, die wir gesehen hatten, waren auch hier kunstvolle Bilder eingemeißelt, Carter schienen sie allerdings nicht zu gefallen. Immer wieder blieb er stehen und betrachtete die Darstellungen mit grimmiger Miene.
»Was ist denn?«, fragte ich nach dem fünften oder sechsten Mal.
»Das sind keine gewöhnlichen Abbildungen für ein Grabmal«, antwortete er. »Es sind keine Bilder vom Jenseits, keine Götterbilder.«
Zia nickte. »Diese Pyramide ist kein Grabmal. Sie ist eine Plattform, ein Körper, der dazu dient, Seths Macht aufzunehmen. All diese Bilder sollen das Chaos stärken und dafür sorgen, dass es in alle Ewigkeit andauert.«
Im Weitergehen betrachtete ich die Bilder eingehender und mir wurde klar, was Zia meinte. Es waren schreckliche Monster zu sehen, Kriegsszenen, Städte wie Paris und London in Flammen, farbige Porträts von Seth und dem Seth-Tier, die über moderne Armeen herfielen – es war alles so schauerlich, kein Ägypter hätte dergleichen je in Stein gemeißelt. Je weiter
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