Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Natur.«
Amos deutete auf das Spektakel unter uns. »Aber das hältst du für natürlich? Hast du einen anderen Plan?«
»Vögel«, warf ich ein und hasste mich dafür, dass ich es überhaupt in Betracht zog. »Ich werde ein Milan. Carter kann den Falken geben.«
»Sadie«, sagte Carter, »was ist, wenn –?«
»Ich muss es versuchen.« Ich wich seinem Blick aus, um meine Entschlossenheit nicht zu verlieren. »Zia, es ist jetzt ungefähr zehn Stunden her seit der Feuersäule, oder? Kannst du schon wieder zaubern?«
Zia streckte die Hand aus und konzentrierte sich. Zunächst passierte nichts. Über ihre Finger kroch flackernd ein rotes Licht, kurz darauf erschien ihr noch immer qualmender Zauberstab in ihrer Hand.
»Gutes Timing«, meinte Carter.
»Und zugleich schlechtes Timing«, bemerkte Amos. »Es bedeutet, dass Desjardins nicht mehr von der Feuersäule verfolgt wird. Bald wird er hier sein und ich könnte wetten, er bringt Verstärkung mit. Das heißt, wir treten gegen noch mehr Feinde an.«
»Meine Zauberkraft ist immer noch schwach«, warnte Zia. »Falls es zum Kampf kommt, bin ich keine große Hilfe, aber vielleicht kann ich mir eine Mitfahrgelegenheit organisieren.« Sie zog den Geieranhänger hervor, den sie in Luxor benutzt hatte.
»Damit bleibe nur noch ich«, erklärte Amos. »Macht euch um mich keine Sorgen. Wir treffen uns auf dem linken Boot. Das schalten wir als Erstes aus, danach nehmen wir uns das andere vor. Vielleicht können wir sie überrumpeln.«
Ich hatte keine Lust, Amos die Planung zu überlassen, aber seine Logik schien einleuchtend. »Okay. Wir müssen schnell mit den Booten fertig werden, anschließend kommt die Pyramide dran. Vielleicht können wir den Eingang durch ein Siegel verschließen oder so.«
Carter nickte. »Ich bin so weit.«
Zunächst schien alles gut zu laufen. Ich verwandelte mich problemlos in einen Milan, und als ich den Bug des Bootes erreichte, schaffte ich es zu meiner Überraschung beim ersten Versuch, mich wieder in einen Menschen zu verwandeln und Zaubermesser und -stab einsatzbereit zu halten. Der Einzige, der noch überraschter war als ich selbst, war der Dämon vor mir, dessen Klappmesserkopf sofort in Panik hochschnellte.
Bevor er mich aufschlitzen oder auch nur einen Schrei ausstoßen konnte, rief ich aus meinem Zauberstab Wind herbei und pustete den Dämon aus dem Boot. Zwei seiner Genossen stürzten sich auf mich, doch hinter ihnen erschien Carter mit gezogenem Schwert und verarbeitete sie zu Sandhaufen.
Zia war leider nicht ganz so unauffällig. Ein Riesengeier mit einem Mädchen in den Fängen zieht nun mal viel Aufmerksamkeit auf sich. Als sie auf das Boot zuflogen, deuteten die Dämonen nach oben und schrien. Einige schleuderten Speere, die ihr Ziel nur knapp verfehlten.
Da Zias bühnenreifer Auftritt die beiden anderen Dämonen auf unserem Boot ablenkte, konnte Amos hinter ihnen landen. Er hatte die Gestalt eines Flughundes angenommen, was schlechte Erinnerungen in mir wachrief; doch er verwandelte sich schnell wieder in einen Menschen und rammte die Dämonen, dass sie durch die Luft wirbelten.
»Haltet euch fest!«, befahl er. Zia konnte gerade noch rechtzeitig im Boot landen, um das Ruder zu greifen. Carter und ich klammerten uns an den Seiten fest. Mir war schleierhaft, was Amos vorhatte, doch nach meiner letzten fliegenden Bootsfahrt wollte ich kein Risiko eingehen. Amos stimmte einen Sprechgesang an und deutete mit seinem Zauberstab auf das andere Boot, in dem die Dämonen immer lauter schrien und auf uns zeigten.
Einer von ihnen war groß und sehr dürr, er hatte schwarze Augen und ein abstoßendes Gesicht. Es sah aus, als hätte man ihm die Haut über den Muskeln abgezogen.
»Das ist Seths rechte Hand«, warnte Carter. »Horrorgesicht.«
»Ihr!«, kreischte der Dämon. »Schnappt sie euch!«
Amos beendete seinen Zauberspruch. »Dampf«, schloss er summend.
Augenblicklich verdampfte das zweite Boot zu grauem Dunst. Die Dämonen kreischten wild durcheinander. Der goldene Schlussstein sackte nach unten, bis schließlich die Seile auf unserer Seite so straff gespannt waren, dass unser Boot fast umkippte. In Schräglage sanken wir zum Höhlenboden hinunter.
»Carter, schneid die Seile durch!«, schrie ich.
Als er sie mit einem Schwerthieb durchtrennte, kam das Boot wieder in die Waagrechte und schnellte mehrere Meter nach oben. Mein Magen schnellte etwas später hinterher.
Mit großem Getöse krachte das Pyramidion auf den
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