Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
es ihm Spaß machen, durch die Luft geschleudert zu werden. »Du willst dich um mich kümmern? Wie anmaßend! Lasst es den Jungen ruhig versuchen, Oberster Vorlesepriester. Wenn ich mit ihm fertig bin, ist alles wieder normal.«
Desjardins setzte an: »Wladimir, nein. Das steht dir nicht zu –«
Doch Menschikow wartete nicht ab. Er stampfte mit dem Fuß auf, daraufhin trocknete rings um ihn der Schlamm und färbte sich weiß. Doppellinien hart werdender Erde krochen auf mich zu. Sie wanden sich wie DNS -Stränge umeinander. Ich war nicht sicher, was sie vorhatten, ich wusste bloß, dass ich nicht mit ihnen in Berührung kommen wollte. Ich schlug mit meiner Geißel auf sie ein und hinterließ ein Loch von der Größe eines Whirlpools. Die weißen Linien krochen immer weiter, zogen eine bleiche Spur in der Grube und kletterten auf der anderen Seite wieder nach oben, dann rasten sie auf mich zu. Ich versuchte, ihnen auszuweichen, doch der Kriegeravatar war nicht gerade der Schnellste.
Die magischen Linien erreichten meine Füße. Sie wanden sich wie Weinranken um die Avatarbeine, bis ich schließlich bis zur Taille umwickelt war. Sie drückten gegen meinen Schutzpanzer, zehrten an meinen magischen Kräften und ich hörte, wie sich Menschikows Stimme in meine Gedanken drängte.
Schlange , flüsterte die Stimme. Du bist ein kriechendes Reptil.
Ich kämpfte gegen meine Angst. Ich war schon einmal gegen meinen Willen in ein Tier verwandelt worden und es war eine der schlimmsten Erfahrungen meines Lebens gewesen. Dieses Mal passierte es in Zeitlupe. Der Kampfavatar tat alles, um sich zu wehren, aber Menschikows Zauber war stark. Die leuchtenden weißen Ranken kletterten immer höher und wanden sich um meinen Oberkörper.
Ich schlug mit dem Krummstab nach Menschikow. Die unsichtbare Kraft umklammerte seinen Hals und hob den Russen hoch.
»Tu es!«, würgte er hervor. »Zeig mir – deine Kraft – Gottling!«
Ich hob die Geißel. Ein guter Treffer und ich könnte Wlad Menschikow wie eine Wanze zerdrücken.
»Bringt auch nichts!«, keuchte er. »Der Zauberspruch wird – dich sowieso vernichten. Zeig uns, dass du – ein Mörder bist, Kane!«
Ich sah auf Zias verängstigtes Gesicht und zögerte zu lange. Die weißen Ranken wanden sich um meine Arme. Der Kampfavatar ging in die Knie und ich ließ Menschikow fallen.
Schmerz breitete sich in meinem Körper aus. Mein Blut wurde kalt. Die Gliedmaßen des Avatars schrumpften, der Falkenkopf verwandelte sich schrittweise in den Kopf einer Schlange. Ich spürte, wie mein Herzschlag langsamer und alles um mich herum dunkel wurde. Der Geschmack von Gift breitete sich in meinem Mund aus.
Zia schrie auf. »Hör auf! Das geht zu weit!«
»Ganz im Gegenteil«, entgegnete Menschikow und rieb sich den wund gescheuerten Hals. »Er verdient noch viel Schlimmeres. Oberster Vorlesepriester, dieser Junge hat Euch gedroht. Er beansprucht den Thron des Pharaos. Er muss sterben.«
Zia wollte zu mir rennen, doch Desjardins hielt sie zurück.
»Nimm den Zauber von ihm, Wladimir«, befahl er. »Der Junge kann auf menschlichere Weise im Zaum gehalten werden.«
»Menschlicher, mein König? Er ist doch kaum ein Mensch!«
Die zwei Magier starrten einander an. Ich weiß nicht, was passiert wäre – wenn sich nicht in diesem Augenblick ein Portal unter Bes’ Käfig geöffnet hätte.
Ich hatte schon viele Portale gesehen, so eines allerdings nicht. Der Strudel öffnete sich in der Erde und saugte eine trampolingroße Fläche roten Sand, tote Fische, alten Krempel, Tonscherben sowie den leuchtenden Neonkäfig mit dem Zwergengott darin nach unten. Als der Käfig in den Wirbel hineingezogen wurde, zerbrachen seine Gitterstäbe in Lichtsplitter. Bes erwachte aus seiner Starre, und als er merkte, dass er halb unter Sand begraben war, stieß er ein paar einfallsreiche Flüche aus. Kurz darauf schossen meine Schwester und Walt aus dem Portal, wobei sie in der Waagrechten schwebten, als würden sie gen Himmel rennen. Als die Schwerkraft zuschlug, ruderten sie erst mit den Armen und fielen dann rücklings in den Sand. Hätte Bes sie nicht beide gepackt und aus dem Strudel gezerrt, wären sie vermutlich in die Tiefe gezogen worden.
Bes setzte sie auf festem Untergrund ab. Dann wandte er sich zu Wlad Menschikow, baute sich breitbeinig vor ihm auf und riss sich das Hawaiihemd und die Shorts herunter, als wären sie aus Seidenpapier. Seine Augen funkelten vor Zorn. Seine Badehose trug den
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