Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
fröhliches Erschießungskommando
Jetzt sind wir vermutlich quitt, Sadie. Zuerst sind Walt und ich losgerast, um dich in London zu retten. Dann bist du mit Walt losgerast, um mich zu retten. Der Einzige, der beide Male abgezockt wurde, war Walt. Der arme Kerl wird um die ganze Welt geschleppt, um uns aus der Patsche zu helfen. Aber ich geb’s zu, ich habe die Hilfe gebraucht.
Bes war in einem leuchtenden Neonkäfig eingesperrt. Zia war fest davon überzeugt, wir wären Feinde. Mein Schwert und mein Zaubermesser waren verschwunden. Ich hielt einen Krummstab und eine Geißel in der Hand, die offenbar Diebesgut waren, und zwei der mächtigsten Magier der Welt, Michel Desjardins und Wlad der Inhalator setzten alles daran, mich gefangen zu nehmen, vor Gericht zu stellen und hinzurichten – nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge.
Ich wich zu den Treppen zurück, die in Zias Grabkammer führten, aber es gab keine Fluchtmöglichkeit. Ringsum war roter Schlamm und hier und da lagen Trümmer oder tote Fische. Ich konnte weder weglaufen noch mich verstecken. Damit blieben mir nur zwei Optionen: mich zu ergeben oder zu kämpfen.
Menschikows vernarbte Augen funkelten. »Tu dir keinen Zwang an, Kane, widersetz dich ruhig. Dich in Notwehr zu töten würde mir die Aufgabe dermaßen erleichtern.«
»Wladimir, hör auf«, sagte Desjardins müde und stützte sich auf seinen Zauberstab. »Carter, sei nicht albern. Ergib dich endlich.«
Vor drei Monaten wäre Desjardins noch ganz heiß darauf gewesen, mich in Stücke zu reißen. Jetzt sah er bloß traurig und müde aus, als wäre meine Hinrichtung eine unerfreuliche Notwendigkeit. Zia stand neben ihm. Sie schielte argwöhnisch zu Menschikow hinüber, als ahne sie, dass dieser Mann bösartig war.
Wenn ich das nutzen konnte, um etwas Zeit zu gewinnen …
»Was hast du nun vor, Wlad?«, fragte ich. »Du hast uns in Sankt Petersburg zu einfach entwischen lassen. Es machte fast den Eindruck, als wolltest du, dass wir Re aufwecken.«
Der Russe lachte. »Und deshalb bin ich dir auch um die halbe Welt gefolgt, um dich aufzuhalten?«
Er gab sich große Mühe, verächtlich auszusehen, doch um seine Lippen spielte ein Lächeln, als würden wir über einen Witz lachen, den nur wir beide verstanden.
»Du bist nicht gekommen, um mich aufzuhalten«, vermutete ich. »Du zählst darauf, dass wir die Schriftrollen für dich finden und sie zusammensetzen. Musst du Re aufwecken, um Apophis befreien zu können?«
»Es reicht, Carter.« Desjardins sprach mit ausdrucksloser Stimme, wie ein Patient vor einer Operation, der rückwärtszählt, während er darauf wartet, dass die Narkose zu wirken anfängt. Ich wusste nicht, warum er so teilnahmslos war, aber Menschikow sah wütend genug für beide aus. Dem Hass in den Augen des Russen nach zu urteilen, hatte ich einen Nerv getroffen.
»Das ist es, nicht wahr?«, bohrte ich weiter. »Maat und Chaos sind miteinander verbunden. Um Apophis zu befreien, musst du Re aufwecken. Aber du willst alles unter Kontrolle behalten. Re soll alt und schwach bleiben, wenn er zurückkommt.«
Aus Menschikows neuem Eichenzauberstab züngelten grüne Flammen. »Junge, du hast ja keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Seth hat dich mit einem Fehler in der Vergangenheit aufgezogen«, erinnerte ich mich. »Du hast schon einmal versucht, Re aufzuwecken, stimmt’s? Und dazu hast du – nur die eine Schriftrolle benutzt, die du hattest? Hast du dir so das Gesicht verbrannt?«
»Carter!«, unterbrach Desjardins. »Wlad Menschikow ist ein Held des Lebenshauses. Er versuchte diese Rolle zu zerstören , damit niemand sie benutzen konnte. Deshalb wurde er verwundet.«
Einen Moment war ich zu verdutzt, um etwas zu erwidern. »Das … kann nicht sein.«
»Du solltest besser deine Hausaufgaben machen, Junge.« Menschikow durchbohrte mich mit seinen vernarbten Augen. »Die Menschikows stammen von den Priestern Amun-Res ab. Hast du schon mal von diesem Tempel gehört?«
Ich versuchte mich an Geschichten zu erinnern, die mir mein Vater erzählt hatte. Ich wusste, dass Amun-Re ein anderer Name für Re, den Sonnengott, war. Und sein Tempel …
»Sie haben Ägypten mehr oder weniger jahrhundertelang unter Kontrolle gehabt«, sagte ich. »Sie widersetzten sich Echnaton, als er die alten Götter verbot, möglicherweise haben sie ihn sogar ermordet.«
»In der Tat«, bestätigte Menschikow. »Meine Vorfahren standen auf der Seite der Götter! Sie sind diejenigen, die die
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