Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Violett, was ein neues Zeitalter andeutete. Die Bilder in Violett waren kaum zu erkennen, aber ich meinte zwei Gestalten auszumachen, die vor einem brennenden Sessel miteinander kämpften.
»Ja«, sagte Horus’ Stimme. »Der Kampf rückt näher.«
Er erschien in einem Lichtflimmern und stellte sich auf die Stufen des Podests, auf dem gewöhnlich der Oberste Vorlesepriester saß. Er war in Menschengestalt, ein muskulöser junger Mann mit bronzefarbener Haut und kahl rasiertem Schädel. Auf seiner Lederrüstung funkelten Juwelen, sein Chepesch hing seitlich herunter. Seine Augen leuchteten – eines golden, eines silbern.
»Wie bist du hierhergekommen?«, fragte ich. »Ist dieser Ort nicht gegen die Götter geschützt?«
»Ich bin nicht hier, Carter. Nur du . Aber wir waren einmal vereint. Ich bin ein Echo in deinen Gedanken – der Teil von Horus, der dich nie verlassen hat.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Hör einfach zu. Deine Situation hat sich geändert. Du stehst an der Schwelle zu wahrer Größe.«
Er deutete auf meine Brust. Ich senkte den Kopf und stellte fest, dass ich nicht in meiner üblichen Ba -Form steckte. Ich war kein Vogel, sondern ein Mensch und war wie Horus in eine ägyptische Rüstung gekleidet. In den Händen hielt ich Krummstab und Geißel.
»Die gehören mir nicht«, erklärte ich. »Sie waren mit Zia begraben.«
»Aber sie könnten dir gehören«, erwiderte Horus. »Es sind die Insignien des Pharaos – wie Zauberstab und Zaubermesser, nur hundertmal mächtiger. Selbst ohne Übung konntest du ihre Macht in dich leiten. Stell dir vor, was wir zusammen erreichen könnten.« Er deutete auf den leeren Thron. »Du könntest das Lebenshaus wiedervereinigen und sein Anführer werden. Wir könnten unsere Feinde vernichten.«
Ich will es nicht leugnen: In gewisser Weise war ich aufgeregt. Vor ein paar Monaten hatte mich die Vorstellung, Anführer zu sein, zu Tode erschreckt. Doch nun war vieles anders. Ich verstand besser, was Magie bedeutete. Ich hatte drei Monate unterrichtet und unsere Initianden zu einem Team gemacht. Ich erkannte die Bedrohung, der wir ausgesetzt waren, nun klarer und hatte eine Vorstellung, wie ich Horus’ Kraft aufnehmen konnte, ohne von ihr überwältigt zu werden. Was, wenn Horus Recht hatte und ich die Götter und Magier in den Kampf gegen Apophis führen konnte? Mir gefiel die Vorstellung, unsere Feinde niederzuschlagen und mich an den Kräften des Chaos zu rächen, die unser Leben auf den Kopf gestellt hatten.
Doch dann fiel mir der Blick ein, mit dem mich Zia angesehen hatte, als ich kurz davor war, Wlad Menschikow umzubringen – als wäre ich das Ungeheuer. Ich erinnerte mich an das, was Desjardins über die alten Zeiten erzählt hatte, als Magier gegen Magier kämpften. Falls Horus tatsächlich ein Echo in meinem Kopf war, beeinflusste er mich vielleicht. Ich kannte Horus mittlerweile gut. Er war in vieler Hinsicht ein anständiger Kerl – tapfer, ehrenhaft, rechtschaffen. Doch er war auch ehrgeizig, gierig, eifersüchtig und unbeirrbar, wenn es um seine Ziele ging. Und sein größter Wunsch war, die Götter zu regieren.
»Krummstab und Geißel gehören Re«, sagte ich. »Wir müssen ihn aufwecken.«
Horus legte den Kopf schief. »Sogar wenn Apophis das ebenfalls will? Und obwohl Re alt und schwach ist? Ich habe dich vor den Meinungsverschiedenheiten der Götter gewarnt. Du hast gesehen, wie Nechbet und Babi versucht haben, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Der Zwist wird nur noch schlimmer werden. Chaos nährt sich von schwachen Führern, von Zwiespalt. Darauf ist Wladimir Menschikow aus.«
Der Gang der Zeitalter erbebte. Auf beiden Seiten verlängerte sich der Vorhang aus violettem Licht. Als das holografische Bild breiter wurde, erkannte ich, dass der Sessel ein glutroter Thron war. Er sah genauso aus wie der, den Sadie in ihrer Vision über Res Barke beschrieben hatte. Zwei schemenhafte Figuren waren in einen Kampf verwickelt, sie rangen miteinander, aber ich konnte nicht sagen, ob sie versuchten, sich gegenseitig in den Sessel zu schubsen oder herunter.
»Hat Menschikow wirklich versucht, die Sonnenlitanei zu zerstören?«, fragte ich.
Horus’ silbernes Auge funkelte. Es wirkte immer ein wenig heller als das goldene, was mich durcheinanderbrachte, denn es sah aus, als hätte die Welt Schlagseite. »Wie das meiste, was Menschikow sagt, war das nur ein Teil der Wahrheit. Er glaubte einmal dasselbe wie du. Er dachte, er könne Re
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