Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

hatten?«
    »Kannst du ein paar herbeirufen?«
    »Klar«, brummte ich. »Überlass ruhig mir die ganzen schwierigen Sachen.«
    Ich sah mich auf dem Boot um und hoffte, einen Knopf zu finden, auf dem FÜR LEUCHTENDE MATROSEN BITTE HIER KLINGELN stand. Ich entdeckte allerdings nichts dergleichen. Ich wusste, dass die Barke des Sonnengottes früher eine Mannschaft aus Lichtern gehabt hatte. Ich hatte sie in meiner Vision gesehen. Aber wie rief man sie herbei?
    Der Zeltpavillon war leer. Der Feuerthron war verschwunden. Bis auf das Wasser, das durch die Risse im Schiffsrumpf gluckste, war auf dem Boot kein Laut zu hören. Allmählich wurde mir von den Pirouetten des Bootes übel.
    Mit einem Mal überkam mich ein schreckliches Gefühl. In meinem Hinterkopf flüsterten ein Dutzend leise Stimmen: Isis. Intrigantin. Giftmischerin. Verräterin.
    Mir wurde klar, dass meine Übelkeit nicht nur von der wirbelnden Strömung kam. Das ganze Schiff sandte hasserfüllte Gedanken in meine Richtung. Die Planken unter meinen Füßen, die Reling, die Ruder und die Takelage – jeder Teil der Sonnenbarke hasste meine Anwesenheit.
    »Carter, das Boot kann mich nicht leiden«, verkündete ich.
    »Das Boot beweist also guten Geschmack?«
    »Haha. Es spürt Isis. Immerhin hat sie Re vergiftet und ins Exil gezwungen. Das Boot erinnert sich daran.«
    »Tja … dann entschuldige dich oder so was.«
    »Huhu, Boot«, sagte ich und kam mir ziemlich doof dabei vor. »Die Sache mit dem Gift tut mir leid. Aber weißt du – ich bin nicht Isis. Ich bin Sadie Kane.«
    Verräterin , flüsterten die Stimmen.
    »Ich verstehe, warum ihr das denkt«, räumte ich ein. »Vielleicht haftet mir dieser ›Isis-Magie‹-Geruch an, kann das sein? Aber ehrlich, ich hab Isis weggeschickt. Sie lebt nicht mehr in mir. Und mein Bruder und ich werden Re zurückbringen.«
    Das Boot erbebte. Die leisen Stimmen verstummten, als wären sie zum ersten Mal in ihrem unsterblichen Leben wirklich verblüfft. (Na ja, sie kannten mich ja auch noch nicht, oder?)
    »Wäre das nicht gut?«, versuchte ich es. »Re wieder da, genau wie früher, er fährt den Fluss runter und so weiter? Wir sind hier, um alles in Ordnung zu bringen, aber dafür müssen wir durch die Häuser der Nacht reisen. Wenn ihr einfach mithelfen könntet –«
    Ein Dutzend leuchtender Kugeln flammte auf. Sie umringten mich wie ein wütender Schwarm brennender Tennisbälle, ihre Hitze war so intensiv, dass ich dachte, sie würden mein neues Kleid in Brand setzen.
    »Sadie«, warnte Carter. »Sie machen keinen besonders glücklichen Eindruck.«
    Und er fragt sich, warum ich ihn Captain Ach-wirklich! getauft hatte.
    Ich versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Benehmt euch«, befahl ich den Lichtern streng. »Nicht meinetwegen. Sondern Res wegen. Wenn ihr euren Pharao zurückhaben wollt, nehmt eure Plätze ein.«
    Ich erwartete, dass sie mich wie ein Tandoori Chicken braten würden, aber ich blieb standhaft. Da ich umzingelt war, blieb mir auch nichts anderes übrig. Ich ließ meine Zauberkunst spielen und versuchte, die Lichter meinem Willen zu unterwerfen – so wie ich es getan hätte, um jemanden in eine Ratte oder eine Eidechse zu verwandeln.
    Ihr werdet helfen , befahl ich. Ihr werdet gehorsam eure Arbeit erledigen .
    In meinem Kopf war ein gemeinschaftliches Zischen zu vernehmen, es war also entweder eine Sicherung in meinem Hirn rausgeflogen oder die Lichter gaben nach.
    Die Mannschaft verteilte sich. Sie gingen an ihre Plätze, zogen an den Leinen, flickten das Segel, besetzten die unbeschädigten Ruder, übernahmen die Ruderpinne.
    Der lecke Schiffsrumpf seufzte, als sich der Bug flussabwärts drehte.
    Carter atmete auf. »Gut gemacht. Alles in Ordnung mit dir?«
    Ich nickte, obwohl sich mein Kopf noch immer anfühlte, als würde er sich im Kreis drehen. Ich war nicht sicher, ob ich die Kugeln überzeugt hatte oder ob sie einfach den passenden Moment abwarteten, um sich zu rächen. So oder so, mir war nicht wohl dabei, dass wir unser Schicksal in ihre Hände gelegt hatten.
    Wir segelten in die Dunkelheit hinein. Die Stadtsilhouette von London verschwamm. Als wir tiefer in die Duat hineinfuhren, überkam mein Magen wieder dieses vertraute Gefühl, sich im freien Fall zu befinden.
    »Wir betreten das Zweite Haus«, vermutete ich.
    Carter umklammerte den Mast, um sich festzuhalten. »Meinst du damit die Häuser der Nacht, die Bes erwähnt hat? Was ist das überhaupt?«
    Es war komisch, Carter die ägyptischen