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Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

Titel: Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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dem Schlafengehen davon erzählt. Erinnerst du dich nicht?«
    Nein, tat ich nicht. Andererseits war ich erst sechs gewesen, als unsere Mutter starb. Sie war sowohl Wissenschaftlerin als auch Magierin gewesen und fand es ganz normal, uns die Newton’schen Gesetze oder das Periodensystem der Elemente als Gutenachtgeschichte vorzulesen. Das meiste hatte meinen Verstand überstiegen, aber ich wollte mich erinnern. Es hatte mich schon immer geärgert, dass Carter sich so viel besser an unsere Mutter erinnerte als ich.
    »Der Schlaf hat verschiedene Phasen«, erklärte Carter. »In den ersten Stunden liegt das Hirn fast im Koma – es ist ein richtig tiefer Schlaf, in dem man kaum träumt. Vielleicht ist dieser Teil des Flusses deshalb so dunkel und formlos. Später in der Nacht kommt der REM -Schlaf – das steht für Rapid Eye Movement, da bewegen sich die Augen. In dieser Phase träumt man. Vielleicht folgen die Häuser der Nacht einem vergleichbaren Muster.«
    Das kam mir ziemlich weit hergeholt vor. Andererseits hatte Mom uns immer erklärt, dass sich Wissenschaft und Magie nicht gegenseitig ausschlossen. Sie hatte sie als zwei Dialekte derselben Sprache bezeichnet. Bastet hatte uns einmal erzählt, dass es Tausende unterschiedlicher Kanäle und Nebenarme des Duat-Flusses gebe. Die Geografie konnte sich bei jeder Reise ändern, weil sie auf die Gedanken der Reisenden reagierte. Wenn der Fluss von sämtlichen schlafenden Gehirnen der Welt geformt wurde, wenn sein Verlauf während der Nacht lebhafter und unberechenbarer wurde, dann konnten wir uns auf eine wilde Fahrt gefasst machen.
    Irgendwann wurde der Fluss schmaler. Zu beiden Seiten tauchte ein Ufer auf – die Lichter unserer magischen Mannschaft ließen schwarzen vulkanischen Sand glitzern. Die Luft wurde kälter. Die Unterseite des Bootes schabte über Felsen und Sandbänke, was die Lecks noch vergrößerte. Carter sah ein, dass es mit dem Eimer keinen Sinn hatte, und holte stattdessen Wachs aus seiner Zaubertasche. Zusammen versuchten wir die Löcher zu stopfen und sprachen Bindezauber, damit das Boot nicht auseinanderfiel. Hätte ich irgendwelchen Kaugummi gehabt, hätte ich den auch noch verwendet.
    Wir passierten zwar keinerlei Schilder – SIE BETRETEN NUN DAS DRITTE HAUS , RASTSTÄTTE NÄCHSTE ABFAHRT  –, doch wir befanden uns eindeutig in einem anderen Abschnitt des Flusses. Die Zeit verging alarmierend schnell und wir hatten bisher noch nichts erreicht .
    »Vielleicht ist Langeweile die erste Herausforderung«, sagte ich. »Wann passiert denn endlich was?«
    Ich hätte wissen müssen, dass ich das besser nicht laut ausgesprochen hätte. Direkt vor uns erhob sich eine Gestalt aus der Dunkelheit. Ein Fuß mit Sandale von der Größe eines Wasserbetts stellte sich auf den Bug unseres Schiffs, so dass wir mitten auf dem Wasser anhielten.
    Es war auch kein ansprechender Fuß. Definitiv männlich. Die Zehen waren schlammverspritzt, die Nägel gelb, brüchig und viel zu lang. Die ledernen Sandalenriemen waren voller Flechten und Rankenfußkrebse. Kurz gesagt, der Fuß sah aus, als hätte er ein paar Tausend Jahre in der Mitte des Flusses auf demselben Felsen gestanden und dieselben Sandalen getragen. Und er roch auch so.
    Unglücklicherweise hing er an einem Bein, das wiederum an einem Körper hing. Der Riese bückte sich, um uns zu betrachten.
    »Dir ist langweilig?«, donnerte seine Stimme nicht ganz unfreundlich. »Ich könnte dich umbringen, falls dir das weiterhilft.«
    Er trug einen ähnlichen Schurz wie Carter, allerdings hätte der Stoff für zehn Segel gereicht. Sein Körper war menschlich und muskulös, überwuchert von Männerfell – diese ekelhafte Körperbehaarung rief den Wunsch in mir wach, eine Stiftung zur Enthaarung übertrieben flauschiger Männer ins Leben zu rufen. Er hatte den Kopf eines Widders: eine weiße Schnauze mit einem Messingnasenring und lange gebogene Hörner, an denen Dutzende von Bronzeglöckchen hingen. Seine Augen standen weit auseinander, sie hatten leuchtend rote Iriden und senkrechte Schlitze als Pupillen. Das klingt vermutlich alles ziemlich furchterregend, doch mich schreckte der Widdermann nicht. Eigentlich wirkte er aus irgendeinem Grund vertraut. Er machte eher einen melancholischen als bedrohlichen Eindruck, als hätte er so lange auf seiner kleinen Felseninsel in der Mitte des Flusses gestanden, dass er vergessen hatte, warum.
    [Carter möchte wissen, wann ich zur Widderflüsterin geworden bin. Halt

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