Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Zustand. Wie viel Zeit war vergangen und wo steckte Wlad Menschikow?
»Kommt, wir bringen ihn ins Boot«, schlug ich vor. »Bes, kannst du –?«
»Klar. Entschuldigen Sie, König Re. Ich muss Sie tragen.« Er hob den Sonnengott aus dem Bett und wir rannten aus dem Raum. Re war offenbar nicht besonders schwer, denn Bes hatte trotz seiner kurzen Beine keine Schwierigkeiten, mit uns mitzuhalten. Wir rannten den Gang hinunter, den gleichen Weg, den wir gekommen waren, da trällerte Re: »Wiiieh! Wiiieh! Wiiieh!«
Für ihn mochte das ja alles ein Riesenspaß sein, ich schämte mich jedoch. Wir hatten so viel durchgemacht, um dann einen solchen Gott aufzuwecken? Carter sah so grimmig aus, wie ich mich fühlte.
Wir sprinteten an anderen altersschwachen Göttern vorbei, die alle ziemlich aufgeregt reagierten. Einige deuteten uns hinterher und gaben gurgelnde Geräusche von sich. Ein alter schakalköpfiger Gott rüttelte an seinem Infusionsständer und grölte: » Here comes the sun … «
Als wir in die Lobby platzten, sagte Re: » O-oh. O-oh auf dem Boden.«
Sein Kopf kippte zur Seite. Vielleicht wollte er nicht mehr getragen werden? Da merkte ich, dass er etwas betrachtete. Auf dem Boden neben meinem Fuß lag eine glitzernde silberne Halskette: ein vertrautes Amulett in Schlangenform.
Für jemanden, dem nur ein paar Minuten vorher glühend heiß gewesen war, fror ich plötzlich schrecklich. »Menschikow«, sagte ich. »Er war hier.«
Carter zog sein Zaubermesser und sah sich in der Halle um. »Aber wo ist er? Warum sollte er das fallen lassen und dann einfach weggehen?«
»Er hat es absichtlich hiergelassen«, vermutete ich. »Er will uns verspotten.«
In diesem Moment war mir klar, dass es stimmte. Fast konnte ich Menschikow lachen hören, als er seine Reise flussabwärts fortsetzte und wir noch immer hier standen.
»Wir müssen zur Barke!«, rief ich. »Beeilt euch, bevor –«
»Sadie.« Bes deutete in Richtung des Schwesternzimmers. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
»Oh nein«, seufzte Taweret. »Nein, nein, nein …«
Auf der Sonnenuhr deutete die Nadel auf die Acht. Das bedeutete, wir konnten zwar das Vierte Haus immer noch verlassen, doch selbst wenn wir es durch das Fünfte, Sechste und Siebte Haus schafften, würde das nichts mehr ändern. Nach dem, was Taweret uns erzählt hatte, wären die Tore des Achten Hauses bereits geschlossen.
Kein Wunder, dass uns Menschikow hier zurückgelassen hatte, ohne überhaupt gegen uns zu kämpfen.
Wir hatten bereits verloren.
Carter
21.
Wir verschaffen uns etwas Zeit
Nach dem Abschied von Zia an der Cheops-Pyramide war ich eigentlich überzeugt gewesen, dass ich nicht noch trübsinniger werden konnte. So konnte man sich täuschen.
Als ich am Kai des Feuersees stand, hätte ich gut eine Arschbombe in die Lava machen können.
Es war nicht fair. Wir hatten so viel durchgemacht und dann war ganz einfach die Zeit um. Game over. Wie sollte es irgendjemandem gelingen, Re zurückzubringen? Es war unmöglich.
Carter, das ist kein Spiel , sagte Horus’ Stimme in meinem Kopf. Es soll überhaupt nicht möglich sein. Und trotzdem musst du es weiter versuchen .
Ich hatte keine Idee, warum. Die Tore des Achten Hauses waren bereits geschlossen. Menschikow hatte uns abgehängt.
Vielleicht war das von Anfang an sein Plan gewesen. Er hatte zugelassen, dass wir Re teilweise aufweckten, denn so blieb der Sonnengott alt und gebrechlich. Danach würde uns Menschikow in der Duat sitzenlassen, während er irgendwelche finstere Magie einsetzte, mit der er Apophis befreien würde. Am Morgen würde es keinen Sonnenaufgang geben, keine Rückkehr Res. Apophis würde sich aus seinem Kerker erheben und jegliche Zivilisation zerstören.
Und dann hätten unsere Freunde vergeblich die ganze Nacht im Brooklyn House gekämpft. In vierundzwanzig Stunden, wenn wir endlich aus der Duat herauskämen, würde die Welt eine dunkle, leblose Ödnis sein, die vom Chaos regiert wurde. Alles, was uns etwas bedeutete, wäre verschwunden. Apophis könnte Re verschlingen und seinen Sieg vollenden.
Warum sollten wir weiterstürmen, wenn der Kampf bereits verloren war?
Ein General zeigt niemals Verzweiflung , erklärte Horus. Er flößt seinen Truppen Vertrauen ein. Er führt sie, selbst wenn es in den Rachen des Todes geht.
Du bist ein Spaßvogel , dachte ich. Wer hat dich überhaupt wieder in meinen Kopf gebeten?
Doch so nervig Horus war, er hatte nicht Unrecht. Sadie hatte von Hoffnung
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