Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
dir helfen.«
»Hast du gesehen, wie groß der Pavian ist? Soll ich ihn damit rasieren oder was?«
»Das Messer ist nicht dazu da, um gegen Babi oder Nechbet zu kämpfen«, erklärte er. »Du wirst es bald für etwas noch viel Wichtigeres brauchen. Es ist eine Netjeri -Klinge aus Meteoreisen. Sie wird für eine Zeremonie verwendet, von der ich dir schon einmal erzählt habe – zum Öffnen des Mundes.«
»Ja, klar, falls ich diese Nacht überlebe, habe ich bestimmt nichts Besseres zu tun, als mit diesem Rasiermesser jemand den Mund zu öffnen. Vielen Dank auch.«
Liz schrie: »Sadie!« Durch den Nebel auf dem Friedhof erkannte ich ein paar Straßen weiter Babi, der auf die Kirche zutrottete. Er hatte uns entdeckt.
»Nehmt die U-Bahn«, schlug Anubis vor und zog mich hoch. »Einen halben Block Richtung Süden gibt es eine U-Bahn-Station. Solange ihr unter der Erde seid, können sie euch nicht mehr genau orten. Fließendes Wasser ist auch gut. Das Überqueren eines Flusses schwächt Geschöpfe der Duat. Falls du gegen sie kämpfen musst, such dir eine Brücke über die Themse. Ich habe übrigens deinem Fahrer Bescheid gesagt, dass er dich abholen soll.«
»Meinem Fahrer?«
»Ja. Er wollte dich erst morgen treffen, aber –«
Ein roter Royal-Mail-Briefkasten sauste durch die Luft und knallte gegen das Nachbargebäude. Meine Freundinnen kreischten, ich solle mich beeilen.
»Geh«, sagte Anubis. »Es tut mir leid, dass ich nicht mehr tun kann. Trotzdem herzlichen Glückwunsch, Sadie.«
Er beugte sich vor und küsste mich auf den Mund. Dann löste er sich in Nebel auf und verschwand. Der Friedhof wurde wieder normal – ein Teil der gewohnten, nicht schimmernden Welt.
Ich hätte richtig sauer auf Anubis sein sollen. So eine Frechheit – mich ohne Erlaubnis zu küssen! Stattdessen stand ich wie gelähmt da und starrte auf Beatrice’ zerfallenden Sarkophag – bis Emma brüllte: »Sadie, komm jetzt!«
Meine Freundinnen packten mich am Arm und mir fiel wieder ein, dass ich rennen musste.
Wir stürmten zur U-Bahn-Station Canary Wharf. Der Pavian brüllte und prügelte sich hinter uns durch den Verkehr. Über uns kreischte Nechbet: »Da sind sie! Bring sie um!«
»Wer war dieser Junge?«, wollte Emma wissen, als wir in den U-Bahnhof stürzten. »Mann, der war voll süß.«
»Ein Gott«, brummte ich. »Ja.«
Ich schob das schwarze Rasiermesser in meine Hosentasche und sprang die Rolltreppe hinunter, meine Lippen brannten noch von meinem ersten Kuss.
Und falls ich »Happy Birthday« summte und lächelte, während ich um mein Leben rannte – tja, dann ging das niemanden was an, oder?
8.
Massive Verspätungen an der Waterloo Station (Wir bitten um Entschuldigung wegen des Riesenpavians)
Die Akustik der Londoner U-Bahn ist toll. Da in den Tunneln die Geräusche herrlich widerhallen, hörten wir auf dem Weg nach unten die fahrenden Züge, die Musiker, die für ein paar Münzen spielten, und natürlich den Killerpaviangott, der nach Blut brüllte, während er die Drehkreuze hinter uns kurz und klein schlug.
In Anbetracht von Terrordrohungen und erhöhten Sicherheitsmaßnahmen hätte man vielleicht erwartet, dass ein paar Polizisten zur Stelle gewesen wären; doch leider nicht um diese Zeit am Abend und nicht in einer so relativ kleinen U-Bahn-Station. Oben auf der Straße heulten zwar Sirenen, doch bis Hilfe eintreffen würde, wären wir längst tot oder schon lange weg. Und sollte die Polizei tatsächlich versuchen, Babi zu erschießen, während er Gramps’ Körper in Beschlag hatte – nein. Daran durfte ich auf keinen Fall denken.
Anubis hatte vorgeschlagen, unterirdisch zu reisen. Und falls ich kämpfen musste, sollte ich mir eine Brücke suchen. An diese Vorgaben musste ich mich halten.
In Canary Wharf gab es keine große Auswahl an U-Bahn-Linien. Zum Glück fuhr die Jubilee Line pünktlich. Wir schafften es auf den Bahnsteig und sprangen genau in dem Moment, als sich die Türen schlossen, in den letzten Wagen, wo wir uns auf eine Sitzbank fallen ließen.
Der Zug rumpelte in den dunklen Tunnel. Hinter uns sah ich kein Anzeichen, dass Babi oder Nechbet uns verfolgten.
»Sadie Kane«, keuchte Emma. »Kannst du uns bitte mal erklären, was hier läuft?«
Meine armen Freundinnen. Noch nie hatte ich sie in einen solchen Schlamassel hineingezogen, nicht mal damals, als wir in der Schule in der Jungsumkleide eingeschlossen wurden. (Lange Geschichte, bei der es um eine Fünf-Pfund-Wette ging, das
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