Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
uns ein Treppenhausschacht explodierte.
Als Babi aus den Trümmern kletterte, stoben die Menschen auseinander. Schreiende Geschäftsleute ließen ihre Aktentaschen fallen und rannten um ihr Leben. Liz, Emma und ich drückten uns gegen die Wand eines Kiosks, um nicht von einer Gruppe Touristen niedergetrampelt zu werden, die auf Italienisch herumschrie.
Babi brüllte. Sein Fell war von dem Sprint durch die Tunnel voller Schmutz und Ruß. Gramps’ Strickjacke auf seinem Arm war völlig zerfetzt, die Brille hingegen saß wundersamerweise noch auf seinem Kopf.
Er schnüffelte herum, vermutlich versuchte er meine Fährte aufzunehmen. Plötzlich flog ein schwarzer Schatten über uns hinweg.
»Wo willst du hin, Sadie Kane?«, kreischte Nechbet. Sie schwebte durch die Halle und stieß auf die Menschenmenge herunter, die sowieso schon in Panik war. »Kämpfst du, indem du davonläufst? Du bist unwürdig!«
Die ruhige Stimme eines Ansagers hallte durch den Bahnhof: »Auf Gleis drei fährt ein: Zug nach Basingstoke, planmäßige Abfahrt: 8:02.«
» ARRRRRR !« Babi zerstörte die Bronzestatue irgendeines armen berühmten Typen und köpfte ihn mit einem Hieb. Ein Polizist mit Pistole rannte auf ihn zu. Bevor ich ihm zubrüllen konnte, stehen zu bleiben, feuerte er einen Schuss auf Babi ab. Liz und Emma kreischten. Die Kugel prallte von Babis Fell ab, als sei es aus Titanium, und zerschmetterte das McDonald’s-Schild in der Nähe. Der Polizist fiel in eine tiefe Ohnmacht.
Ich hatte noch nie so viele Menschen so schnell eine Bahnhofshalle verlassen sehen. Ich überlegte, ihnen hinterherzulaufen, entschied aber, dass es zu gefährlich war. Ich konnte nicht zulassen, dass diese geisteskranken Götter massenhaft unschuldige Menschen umbrachten, nur weil ich mich unter ihnen befand; außerdem wären wir, wenn wir versucht hätten, uns dem Exodus anzuschließen, bloß in eine Massenpanik geraten.
»Sadie, schau mal!« Liz deutete nach oben, Emma schrie auf.
Nechbet segelte zu den Eisenträgern und ließ sich dort neben den Tauben nieder. Sie starrte grimmig auf uns herab und schrie Babi zu: »Sie ist hier, mein Lieber! Hier!«
»Wenn sie endlich mal die Klappe halten würde«, brummte ich.
»Isis war dumm, dich auszuwählen!«, kreischte Nechbet. »Ich werde deine Eingeweide fressen!«
» AAARRRRR !«, stimmte Babi begeistert zu.
»Der Zug nach Brighton, planmäßige Abfahrt 8:14, wird heute einige Minuten später eintreffen«, verkündete der Ansager. »Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.«
Nun hatte uns Babi erspäht. In seinen Augen schwelte Urgewalt, doch ich erkannte auch etwas von Gramps. Die Art, wie er die Stirn runzelte und das Kinn vorschob – genau wie Gramps, wenn er vor dem Fernseher einen Wutanfall bekam und die Rugbyspieler anbrüllte. Als ich diesen Gesichtsausdruck beim Paviangott sah, hätte mich fast der Mut verlassen.
Ich würde nicht hier sterben. Ich würde nicht zulassen, dass diese beiden widerwärtigen Götter meine Freundinnen verletzten oder meine Großeltern zu Tode brachten.
Babi kam auf uns zugetrottet. Jetzt, da er uns gefunden hatte, schien er es nicht mehr so eilig zu haben, uns umzubringen. Er hob den Kopf und gab ein tiefes bellendes Geräusch nach links und rechts ab, als würde er Freunde zum Abendessen rufen. Emmas Finger gruben sich in meinen Arm. Liz wimmerte: »Sadie …?«
Die meisten Menschen hatten den Bahnhof verlassen. Weitere Polizisten waren nicht in Sicht. Vielleicht waren sie geflohen, vielleicht waren sie aber auch alle auf dem Weg nach Canary Wharf, weil sie nicht merkten, dass das Problem mittlerweile hier in der Waterloo Station war.
»Wir werden nicht sterben«, versprach ich meinen Freundinnen. »Emma, halt meinen Zauberstab.«
»Deinen – ach, richtig.« Sie griff so vorsichtig nach dem Stab, als hätte ich ihr einen Raketenwerfer in die Hand gedrückt, was er mit dem entsprechenden Zauberspruch wahrscheinlich auch hätte sein können.
»Liz«, befahl ich. »Behalt den Pavian im Auge.«
»Den Pavian im Auge behalten«, wiederholte sie. »Er ist ja kaum zu übersehen, der Pavian.«
Ich kramte in meiner Zaubertasche herum und machte verzweifelt Inventur. Zaubermesser … praktisch zur Verteidigung, aber gegen zwei Götter auf einmal brauchte ich mehr. Söhne des Horus, magische Kreide – das war nicht der Ort, um einen Schutzkreis zu zeichnen. Ich musste es zur Brücke schaffen. Ich musste Zeit gewinnen, um aus diesem Bahnhof
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