Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
und den kahl rasierten Schädel von Kwai, den man aus dem nordkoreanischen Nomos ausgeschlossen hatte, weil er einen anderen Magier umgebracht hatte. Neben ihm stand Petrowitsch, ein Ukrainer mit Narbengesicht, der früher als Meuchelmörder für unseren alten Feind Wlad Menschikow gearbeitet hatte.
Die anderen kannte ich nicht, aber wahrscheinlich war keiner von ihnen auch nur annähernd so fies wie Sarah Jacobi. Bis Menschikow sie befreit hatte, hatte sie im Exil in der Antarktis gelebt, weil sie einen Tsunami im Indischen Ozean ausgelöst und über eine Viertelmillion Menschen umgebracht hatte.
»Carter Kane!«, schrie sie.
Auch wenn ich wusste, dass die Nachricht bloß eine magische Aufnahme war, machte ich trotzdem einen Satz, als ich ihre Stimme hörte.
»Das Lebenshaus verlangt, dass du dich ergibst«, sagte sie. »Deine Verbrechen sind unverzeihlich. Du wirst mit dem Leben bezahlen.«
Mein Herz hatte kaum Zeit, in meine Hosentasche zu rutschen, da lief auch schon eine Reihe schlimmer Bilder über das Öl. Ich sah den Rosettastein im British Museum explodieren – dieser Vorfall hatte letztes Weihnachten Seth freigesetzt und meinen Vater umgebracht. Wie war Jacobi an das Bildmaterial gekommen? Ich sah den Kampf letzten Frühling im Brooklyn House, als Sadie und ich in Res Sonnenbarke angekommen waren, um Jacobis Mordkommando zu vertreiben. Die Bilder erweckten den Anschein, als wären wir die Angreifer – ein Haufen Hooligans mit göttlichen Kräften, die die arme Jacobi und ihre Freunde zusammenschlugen.
»Du hast Seth und seine Brüder freigelassen«, fuhr Jacobi fort. »Du hast das heiligste Gesetz der Magie gebrochen und mit den Göttern zusammengearbeitet. Damit hast du Maat aus dem Gleichgewicht gebracht und den Aufstieg Apophis’ aus der Duat verursacht.«
»Das ist eine Lüge!«, rief ich. »Apophis wäre so oder so ausgebrochen!«
Dann fiel mir ein, dass ich ein Video anbrüllte.
Die Szenerie wechselte weiter. Ich sah ein brennendes Hochhaus im Shibuya-Viertel in Tokio – die Zentrale des Zweihundertvierunddreißigsten Nomos. Ein fliegender Dämon mit Samuraischwertkopf krachte durch ein Fenster und verschleppte einen kreischenden Magier.
Ich sah das Zuhause des ehemaligen Obersten Vorlesepriesters, Michel Desjardins – ein wunderschönes Pariser Stadthaus in der Rue des Pyramides –, nun nur noch ein Trümmerhaufen. Das Dach war eingestürzt. Die Fenster waren zerbrochen. Zerfetzte Schriftrollen und aufgeweichte Bücher lagen im vertrockneten Garten herum und an der Eingangstür glomm wie ein Brandzeichen die Hieroglyphe für Chaos.
»All das ist dein Werk«, sagte Jacobi. »Du hast den Umhang des Obersten Vorlesepriesters einem Diener des Bösen gegeben. Du hast junge Magier verdorben, indem du sie den Weg der Götter gelehrt hast. Du hast das Lebenshaus geschwächt und uns Apophis ausgeliefert. Wir werden das nicht dulden. Jeder, der dir folgt, wird bestraft werden.«
Die Vision wechselte zum Sphinx House in London, der Zentrale des britischen Nomos. Sadie und ich waren im Sommer dort gewesen und nach stundenlangen Verhandlungen war es uns gelungen, mit ihnen Frieden zu schließen. Ich sah Kwai durch die Bibliothek stürmen, Götterstatuen zertrümmern und Bücher aus den Regalen reißen. Ein Dutzend britischer Magier stand in Ketten vor ihrer Bezwingerin, Sarah Jacobi, die ein leuchtendes schwarzes Messer hielt. Das Oberhaupt des Nomos, ein harmloser alter Typ namens Sir Leicester, wurde gezwungen, sich vor sie zu knien. Sarah Jacobi hob ihr Messer. Die Klinge senkte sich, die Szenerie wechselte.
Jacobis Leichenschändergesicht starrte mich wieder von der Öloberfläche an. Ihre Augen waren so dunkel wie die Augenhöhlen eines Totenschädels.
»Die Kanes sind eine Seuche«, erklärte sie. »Ihr müsst vernichtet werden. Ergib dich und warte mit deiner Familie auf die Hinrichtung. Wenn deine Anhänger dem Weg der Götter abschwören, werden wir sie verschonen. Ich strebe das Amt der Obersten Vorlesepriesterin nicht an, aber ich muss es zum Wohle Ägyptens übernehmen. Sobald die Kanes tot sind, werden wir wieder stark und einig sein. Wir werden den Schaden rückgängig machen, den ihr angerichtet habt, und die Götter und Apophis in die Duat zurücktreiben. Es ist höchste Zeit für Gerechtigkeit, Carter Kane. Dies ist deine erste und letzte Warnung.«
Sarah Jacobis Bild löste sich im Öl auf und ich war wieder mit Zias Spiegelbild allein.
»Aha«, sagte ich mit zittriger
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