Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Er hatte uns auf die Probe gestellt, indem er uns auf eine Mission schickte, Elvis’ Haus in Schutt und Asche zu legen (lange Geschichte), doch die Probezeit hatten wir nun hoffentlich hinter uns. Ich zog Grillen am Spielfeldrand vor.
Dann dachte ich an die Visionen, die mir Horrorgesicht gezeigt hatte: meine Mutter, die in Gefahr war, eine Dunkelheit, die die Seelen der Toten verschluckte, die Welt, die sich in einem Meer aus Chaos auflöste – mit Ausnahme einer kleinen Insel, die auf den Wellen trieb. Die Erinnerung verdarb mir ziemlich den Appetit.
»Also …« Ich schob meinen Teller beiseite. »Erzähl mir von den Dämonenangriffen. Und was hast du gerade zu Walt gesagt?«
Walt starrte auf sein halb abgenagtes Rippchen.
Thot schlug einen Mollakkord an. »Wo soll ich anfangen …? Die Angriffe begannen vor einer Woche. Ich habe keinen Kontakt zu den anderen Göttern. Vermutlich sind sie mir nicht zu Hilfe geeilt, weil sie ähnliche Probleme haben. Teile und herrsche – Apophis versteht was von den militärischen Grundprinzipien. Selbst wenn meine Brüder mir helfen könnten – sie haben, wie soll ich es ausdrücken, andere Prioritäten. Re wurde vor kurzem zurückgebracht, vielleicht erinnerst du dich.«
Thot musterte mich, als wäre ich eine unlösbare Gleichung. »Der Sonnengott muss auf seiner nächtlichen Reise beschützt werden. Das erfordert eine Menge Göttereinsatz.«
Meine Schultern sackten nach unten. Ich brauchte nicht noch einen Punkt, der Schuldgefühle bei mir auslöste. Außerdem fand ich es unfair von Thot, dass er mich so aburteilte. Thot hatte uns bei unserem Vorhaben, den Sonnengott zurückzuholen, im Prinzip unterstützt. Aber vielleicht hatte eine Woche Dämonenangriffe genügt, um seine Meinung zu ändern.
»Kannst du nicht einfach weggehen?«, fragte ich.
Thot schüttelte den Kopf. »Vielleicht kannst du nicht so tief in die Duat hinunterblicken, aber diese Pyramide ist völlig von Apophis’ Macht eingehüllt. Ich sitze hier irgendwie fest.«
Ich spähte zur Decke der Arena hinauf, die mir plötzlich viel niedriger vorkam. »Das heißt … wir sitzen auch fest?«
Thot tat die Frage mit einer Handbewegung ab. » Ihr solltet in der Lage sein, wieder zurückzugehen. Das Netz der Schlange ist darauf ausgelegt, einen Gott zu fangen. Weder du noch Walt seid groß oder wichtig genug, um ins Netz zu gehen.«
Ich fragte mich, ob das stimmte oder ob Apophis mich kommen und gehen ließ – damit ich ihm Re ausliefern konnte.
Du bist interessant für mich, Carter, hatte Apophis gesagt. Liefere ihn mir aus und ich werde dich verschonen.
Ich holte tief Luft. »Aber Thot, wenn du ganz auf dich gestellt bist … mal ehrlich, wie lange wirst du noch durchhalten?«
Der Gott fuhr über seinen Laborkittel, der mit Notizen in einem Dutzend Sprachen vollgekritzelt war. Aus einem Ärmel flatterte das Wort Zeit . Thot fing es und plötzlich sah er auf eine goldene Taschenuhr.
»Mal sehen. Den schwächer werdenden Abwehrmechanismen der Pyramide und dem Tempo nach zu urteilen, mit dem meine Kraft abnimmt, würde ich schätzen, dass ich noch neun Angriffe durchstehe oder ein bisschen mehr als zwei Tage, womit wir beim Sonnenaufgang der Tagundnachtgleiche wären. Ha! Das kann doch kein Zufall sein.«
»Und dann?«, fragte Walt.
»Dann brechen die Abwehrmechanismen meiner Pyramide zusammen. Meine Gefolgsleute werden getötet werden. Um genau zu sein, ich gehe davon aus, dass der Weltuntergang großflächig stattfinden wird. Die Herbsttagundnachtgleiche wäre für Apophis ein geeigneter Zeitpunkt, um aus der Duat auszubrechen. Er wird mich wahrscheinlich in den Abgrund sperren oder mein innerstes Wesen in tausend Bruchteilen im Universum verstreuen. Hmm … Die Physik des Todes bei einem Gott.« Seine Taschenuhr verwandelte sich in einen Stift. Er kritzelte etwas auf den Gitarrenhals. »Tolles Thema für eine wissenschaftliche Abhandlung.«
»Thot«, sagte Walt. »Erzähl Carter, was du mir erzählt hast, nämlich warum du angegriffen wirst.«
»Ich dachte, das liegt auf der Hand«, sagte Thot. »Apophis versucht mich abzulenken, damit ich euch nicht helfen kann. Deshalb seid ihr doch gekommen, oder? Um etwas über den Schatten der Schlange herauszufinden?«
Einen Augenblick lang war ich zu verblüfft, um etwas zu erwidern. »Woher weißt du das?«
»Also bitte.« Thot spielte einen Jimi-Hendrix-Riff, dann stellte er seine Gitarre auf den Boden. »Ich bin schließlich der Gott des
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