Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
er herausfand, es wirkungsvoll einzusetzen. Das Wissen daraus hat er allerdings tatsächlich für einige Zaubersprüche verwendet, die Schattenächtung eingeschlossen. Er hat seine Gedanken in einer speziellen Version des Buches zur Niederwerfung des Apophis festgehalten.«
»Setne«, sagte ich. »Das ist der Magier, von dem du sprichst.«
»Genau. Sein Zauberspruch war natürlich rein theoretisch. Nicht einmal ich verfügte je über solches Wissen. Und wie du ja weißt, wurden mittlerweile alle Abschriften seiner Schriftrolle zerstört.«
»Dann ist es also hoffnungslos«, sagte ich. »Ausweglos.«
»Aber nein«, sagte Thot. »Ihr könntet Setne persönlich fragen. Er hat den Zauber ja geschrieben. Er versteckte das Buch des Thot, das, ähm, den Aufenthaltsort des Schattens beschreibt oder auch nicht. Wenn er gewillt ist, könnte er euch helfen.«
»Aber ist Setne nicht schon seit Tausenden von Jahren tot?«
Thot grinste. »Ja. Und das ist nur das erste Problem.«
Thot erzählte uns von Setne, der im alten Ägypten offenbar ziemlich berühmt gewesen war – eine Art Mischung aus Robin Hood, Merlin und Attila, dem Hunnenkönig. Je mehr ich über ihn hörte, desto weniger wollte ich ihn kennenlernen.
»Er war ein krankhafter Lügner«, sagte Thot. »Ein Schurke, ein Verräter, ein Dieb und ein begnadeter Magier. Er prahlte damit, dass er weise Bücher stahl, auch meines. Er kämpfte gegen Ungeheuer, ließ sich auf Abenteuer in der Duat ein, unterwarf Götter und brach in heilige Grabstätten ein. Er erfand Flüche, die sich nicht aufheben ließen, und förderte Geheimnisse zutage, die begraben hätten bleiben sollen. Er war ein ziemlich bösartiges Genie.«
Walt spielte an seinen Amuletten herum. »Klingt, als würdest du ihn bewundern.«
Der Gott grinste ihn von der Seite an. »Wie soll ich es ausdrücken …? Ich schätze das Streben nach Wissen, auch wenn ich Setnes Methoden nicht gutheißen konnte. Er ließ sich von nichts abhalten, die Geheimnisse des Universums zu ergründen. Er wollte ein Gott sein – nicht das Auge eines Gottes. Ein richtiger Unsterblicher.«
»Was unmöglich ist«, vermutete ich.
»Schwierig, aber nicht unmöglich«, sagte Thot. »Imhotep, der erste sterbliche Magier – er wurde nach seinem Tod zum Gott erhoben.« Thot drehte sich zu seinen Computern. »Das erinnert mich daran, dass ich Imhotep seit Ewigkeiten nicht gesehen habe. Ich frage mich, was er so treibt. Vielleicht sollte ich ihn mal googeln –«
»Thot«, sagte Walt. »Schweif nicht ab.«
»Richtig. Also zurück zu Setne. Er erfand diesen Zauber, mit dem sich jedes Wesen zerstören lässt – auch ein Gott. Ich kann es unter keinen Umständen befürworten, dass solches Wissen in die Hände eines Sterblichen gerät, doch rein hypothetisch, falls ihr den Zauber für den Sieg über Apophis braucht, könntet ihr Setne vielleicht überzeugen, euch den Zauberspruch beizubringen und euch zum Schatten von Apophis zu führen.«
»Bloß ist Setne tot«, sagte ich. »Wir kommen immer wieder an diesen Punkt.«
Walt setzte sich auf. »Es sei denn … du willst uns damit sagen, dass wir seinen Geist in der Unterwelt finden können. Doch wenn Setne so böse war, hätte Osiris ihn dann nicht in der Halle der beiden Wahrheiten verurteilt? Ammit hätte sein Herz gefressen und er hätte aufgehört zu existieren.«
»Normalerweise, ja«, sagte Thot. »Doch Setne ist eine Ausnahme. Er kann ziemlich … überzeugend sein. Selbst vor dem Totengericht schaffte er es – wie soll ich es ausdrücken? –, das Rechtssystem zu manipulieren. Osiris hat ihn viele Male zum Vergessen verurteilt, doch Setne gelang es jedes Mal, seiner Strafe zu entgehen. Er erhielt ein leichteres Strafmaß oder er bekannte sich zu einem geringeren Strafbestand oder aber er floh schlicht und ergreifend. So hat er all die Jahrtausende lang überlebt – zumindest als Geist.«
Thot sah mich mit seinen wirbelnden Augen an. »Allerdings wurde dein Vater, Carter Kane, vor kurzem zu Osiris. Er hat bei den aufsässigen Geistern hart durchgegriffen und versucht, in der Unterwelt die Maat wiederherzustellen. Wenn die Sonne das nächste Mal untergeht, in ungefähr vierzehn Stunden, wird Setne erneut vor Gericht stehen. Er wird sich vor deinem Vater verantworten müssen. Und dieses Mal –«
»Dad wird ihn nicht durchwinken.« Ich hatte das Gefühl, dass die Hände des Dämons erneut meinen Hals umklammerten.
Mein Vater war streng, aber gerecht. Er ließ
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