Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
letzter Woche greifen sie alle sechs Stunden an. Ziemlich nervig.«
»Alle sechs Stunden?« Ich versuchte mir das vorzustellen. Wenn Thot eine solche Armee eine ganze Woche lang mehrmals am Tag bekämpft hatte … Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand so viel Kraft hatte, nicht einmal, wenn er ein Gott war.
»Wo sind die anderen Götter?«, fragte ich. »Sollten sie dir nicht helfen?«
Thot zog die Nase kraus, als würde er einen Dämon mit Darmproblemen riechen. »Vielleicht kommt Walt und du besser in die Halle. Wo ihr schon mal da seid, gibt es eine Menge zu besprechen.«
Eins muss ich Thot lassen: Er versteht was von Pyramideninneneinrichtung.
Die Basketballhalle der ehemaligen Arena war unverändert, zweifellos, damit seine Paviane trainieren konnten. (Paviane lieben Basketball.) Der Gigafernseher hing noch von der Decke und ließ Hieroglyphen aufleuchten, die auf Altägyptisch Nachrichten verkündeten wie: VORWÄRTS! ABSICHERN! und THOT 25 – DÄMONEN 0.
Die Tribünen waren durch mehrere stufenförmige Galerien ersetzt worden. Auf einigen standen wie in einer Raketenabschusszentrale Reihen von Computern. Auf anderen gab es Arbeitsbänke voller Messbecher, Bunsenbrenner, Phiolen mit rauchendem Glibber, Gefäße mit eingelegten Organen und noch seltsamere Dinge. Die Sitzplätze unter dem Dach waren zu Schriftrollenfächern umfunktioniert worden – einer Bibliothek, die locker so groß war wie die im Ersten Nomos. Und hinter dem linken Spielbrett stand ein drei Stockwerke hohes Whiteboard voller Berechnungen und Hieroglyphen.
Von den Trägern hingen statt Meisterschaftsbannern und den Trikots der ehemaligen Starspieler schwarze Wandteppiche mit goldenen aufgestickten Beschwörungsformeln.
Thots Wohnbereich befand sich direkt am Spielfeldrand – eine frei stehende Profiküche, ein paar schicke Sofas und Polstersessel, Bücherberge, Eimer mit Legosteinen und Tinkertoy-Teilen, ein Dutzend Flachbildfernseher, auf denen verschiedene Nachrichtensender und Dokus liefen, und ein kleiner Wald aus elektrischen Gitarren und Verstärkern – alles, was ein schusseliger Gott brauchte, um zwanzig Dinge gleichzeitig zu tun.
Thots Paviane führten Freak in die Umkleide, um ihn zu säubern und ihm ein wenig Ruhe zu gönnen. Vermutlich befürchteten sie auch, er könne die Ibisse fressen, schließlich sahen sie ja ein bisschen wie Truthähne aus.
Thot wandte sich zu Walt und mir und musterte uns kritisch. »Ihr müsst euch ausruhen. Danach mache ich euch was zu essen.«
»Wir haben keine Zeit«, sagte ich. »Wir müssen –«
»Carter Kane«, schalt Thot. »Du hast gerade gegen Apophis gekämpft, Horus aus dir rausgeworfen, wurdest durch die Duat geschleift und fast erwürgt. Wenn du jetzt nicht ein bisschen schläfst, bist du niemandem eine Hilfe.«
Ich wollte protestieren, doch Thot legte die Hand auf meine Stirn. Müdigkeit überkam mich.
»Ruh dich aus«, befahl Thot.
Ich ließ mich auf die nächstbeste Couch fallen.
Wie lange ich schlief, kann ich nicht sagen, Walt stand jedenfalls als Erster auf. Als ich erwachte, waren er und Thot in ein Gespräch vertieft.
»Nein«, sagte Thot. »Das hat es noch nie gegeben. Und ich fürchte, dir bleibt nicht die Zeit …« Er sprach nicht weiter, als er sah, dass ich mich aufsetzte. »Ah. Gut, Carter. Du bist wach.«
»Was hab ich verpasst?«
»Nichts«, sagte er ein bisschen zu schnell. »Komm, iss erst mal was.«
Auf der Arbeitsfläche in der Küche türmten sich frisch aufgeschnittenes Roastbeef, Würste, Rippchen und Maisbrot und ein gigantisch großer Getränkeautomat für Eistee. Thot hatte mir mal erzählt, dass Barbecuesoße eine Art Magie innewohnt, und er hatte vermutlich Recht. Der Essensduft ließ mich vorübergehend meine Sorgen vergessen.
Ich schlang ein Roastbeefsandwich herunter und trank zwei Gläser Tee. Walt nagte an einem Rippchen herum, schien jedoch keinen großen Appetit zu haben.
In der Zwischenzeit nahm Thot die Gibson-Gitarre zur Hand. Er schlug einen Powerakkord an, der den Boden der Arena vibrieren ließ. Seit dem letzten Mal hatte er Fortschritte gemacht. Der Akkord klang tatsächlich wie ein Akkord, nicht wie eine gefolterte Bergziege.
Ich machte eine Geste, ein Stück Maisbrot in der Hand. »Die Arena sieht echt gut aus.«
Thot gluckste. »Besser als meine letzte Zentrale, was?«
Das erste Mal, als Sadie und ich dem Gott des Wissens über den Weg gelaufen waren, hatte er sich auf einem Universitätscampus vergraben.
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