Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
zusammengerollt und mich irgendwo verkrochen. Selbst unsere Schlacht an der roten Pyramide letztes Weihnachten kam mir wie ein Sonntagsspaziergang vor, wenn ich sie damit verglich, eine Dämonenarmee im Sturzflug anzugreifen, unterstützt bloß von einem kranken Typen und einem leicht gestörten Greif.
Doch im letzten Jahr war eine Menge passiert. Jetzt war das einfach mal wieder einer der miesen Tage im Leben der Familie Kane.
Freak schoss krächzend aus dem Nachthimmel, drehte scharf nach rechts ab und fegte über eine Wand der Pyramide. Er verschluckte ein paar kleinere Dämonen und zerschredderte die größeren mit seinen Kreissägenflügeln. Ein paar andere, die überlebten, wurden von unserem Boot plattgemacht.
Als Freak wieder aufzusteigen begann, sprangen Walt und ich heraus und suchten auf der schrägen Glasfläche nach Halt. Walt warf ein Amulett. In einem Lichtblitz erschien ein goldener Sphinx mit Löwenkörper und dem Kopf einer Frau. Nach unserem Erlebnis im Dallas Museum machte ich mir nicht mehr viel aus Sphingen, doch dieser stand glücklicherweise auf unserer Seite.
Walt sprang auf seinen Rücken und stürzte sich in den Kampf. Der Sphinx knurrte und fiel über einen Reptiliendämon her, den er in Stücke riss. Die anderen Ungeheuer stoben auseinander. Das konnte ich ihnen nicht verdenken. Ein riesiger goldener Löwe war schon furchterregend genug, doch der knurrende Frauenkopf mit den erbarmungslosen Smaragdaugen, einer glänzenden ägyptischen Krone und einem Maul mit Reißzähnen und einer Überdosis Lippenstift machte ihn noch viel schrecklicher.
Ich rief mein Chepesch aus der Duat herbei und die Macht von Horus, kurz darauf umschloss mich der leuchtende blaue Avatar des Kriegsgottes und ich befand mich im Inneren einer sieben Meter hohen falkenköpfigen Erscheinung.
Ich trat einen Schritt vor. Der Avatar machte die gleiche Bewegung. Als ich mit dem Schwert nach dem erstbesten Dämon ausholte, mähte die riesige leuchtende Klinge des Avatars sie um wie Kegel. Zwei der Ungeheuer hatten tatsächlich Kegel als Köpfe, insoweit passt der Ausdruck ganz gut.
Die Paviane und Ibisse gewannen allmählich wieder Boden. Freak flog um die Pyramide, schnappte sich geflügelte Dämonen oder fegte sie mit dem Boot aus dem Weg.
Thot warf weiterhin Hieroglyphengranaten.
»Aufblähen!«, rief er. Daraufhin flog die entsprechende Hieroglyphe durch die Luft und zerplatzte vor der Brust eines Dämons als Lichtsprühregen. Sofort schwoll dieser zu einer Wasserbombe an und kullerte kreischend die Pyramide hinunter.
»Platt!« Thot ließ einen anderen Dämon explodieren, woraufhin dieser zusammenbrach und zu einer monsterförmigen Fußmatte zusammenschrumpelte.
»Darmprobleme!«, brüllte Thot. Der arme Dämon, der diesen Fluch erwischte, wurde grün und krümmte sich.
Ich watete durch Ungeheuer, trat sie zur Seite oder verarbeitete sie zu Staub. Alles lief super, bis ein geflügelter Dämon im Kamikazesturzflug auf meinen Oberkörper zuhielt. Ich taumelte zurück und knallte mit solcher Wucht gegen die Pyramide, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrierte. Meine magische Rüstung löste sich auf. Hätte der Dämon mich nicht am Kragen gepackt und festgehalten, wäre ich die Pyramide hinuntergeschliddert.
»Carter Kane«, zischte er. »Du bist dämlich penetrant.«
Ich erkannte dieses Gesicht – es sah aus wie die Leiche in einem Anatomiekurs, es hatte Muskeln und Sehnen, aber keine Haut. Die lidlosen Augen leuchteten rot. Die Reißzähne waren zu einem blutrünstigen Grinsen gefletscht.
»Du«, stöhnte ich.
»Jawohl«, gluckste der Dämon, seine Krallen schlossen sich fester um meinen Hals. »Ich.«
Horrorgesicht – Seths Stellvertreter bei der roten Pyramide und Sprachrohr Apophis’. Wir hatten ihn eigentlich bei der Schlacht am Washington Monument umgebracht, aber das bedeutete wohl nicht allzu viel. Nun war er wieder da und seiner rauen Stimme und den leuchtenden roten Augen nach zu urteilen, war er nach wie vor von der Schlange besessen, die ich am wenigsten leiden konnte.
Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, dass er fliegen konnte, aber nun wuchsen jedenfalls aus seinen Schultern ledrige Fledermausflügel. Er setzte sich mit seinen Hühnerbeinen rittlings auf mich, seine Hände umklammerten meine Luftröhre. Sein Atem stank nach vergorenem Saft und dem Wehrsekret eines Stinktiers.
»Ich hätte dich schon so oft umbringen können«, sagte der Dämon. »Aber du bist interessant
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