Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Wissens. Ich wusste, dass du früher oder später zu dem Schluss kommen würdest, dass eure einzige Hoffnung auf Sieg in einer Schattenächtung besteht.«
»Eine Schattenächtung«, wiederholte ich. »Das ist tatsächlich ein Zauber mit einem tatsächlichen Namen? Es könnte also funktionieren?«
»Theoretisch.«
»Und du hast uns diese Information vorenthalten – warum?«
Thot schnaubte. »Wissen, das irgendetwas wert ist, kann nicht einfach so gegeben werden. Es muss erfragt und verdient werden. Du bist mittlerweile ein Lehrer, Carter. Du solltest das wissen.«
Ich war nicht sicher, ob ich ihn erwürgen oder umarmen sollte. »Gut, dann bin ich also auf der Suche nach dem Wissen. Ich verdiene das Wissen. Wie besiege ich Apophis?«
»Endlich fragst du!« Thot strahlte mich mit seinen mehrfarbigen Augen an. »Leider kann ich es dir nicht sagen.«
Ich warf Walt einen Blick zu. »Willst du ihn umbringen oder soll ich?«
»Na, wer wird denn gleich?«, sagte Thot. »Ich kann euch ein wenig auf die Sprünge helfen. Aber ihr müsst den Zusammenhalt herstellen, wie man so schön sagt.«
»Den Zusammenhang«, sagte ich.
»Ja«, sagte er. »Ihr seid auf der richtigen Spur. Der Schut lässt sich zur Vernichtung eines Gottes oder sogar von Apophis verwenden. Und wie alle fühlenden Wesen hat Apophis in der Tat einen Schatten, auch wenn er diesen Bestandteil seiner Seele gut abschirmt und beschützt.«
»Wo ist er also?«, fragte ich. »Und wie setzen wir ihn ein?«
Thot spreizte die Hände. »Die zweite Frage kann ich nicht beantworten. Die erste Frage darf ich nicht beantworten.«
Walt schob seinen Teller beiseite. »Carter, ich habe versucht, es aus ihm herauszubekommen. Für einen Gott des Wissens ist er nicht besonders hilfreich.«
»Komm schon, Thot«, sagte ich. »Können wir nicht … eine Mission für dich erledigen oder so was? Können wir nicht noch mal das Elvis-Haus in die Luft jagen?«
»Verlockendes Angebot«, sagte der Gott. »Aber du musst verstehen, einem Sterblichen den Aufenthaltsort der Seele eines Unsterblichen zu verraten – selbst wenn es sich um Apophis handelt – wäre ein schweres Vergehen. Die anderen Götter halten mich bereits für einen Verräter. Im Laufe der Jahrhunderte habe ich schon zu viele Geheimnisse an die Menschheit ausgeplaudert. Ich habe euch die Kunst des Schreibens beigebracht. Ich habe euch die Magie gelehrt und das Lebenshaus gegründet.«
»Deshalb wirst du ja auch noch von vielen Magiern verehrt«, sagte ich. »Also hilf uns ein weiteres Mal.«
»Damit würde ich Menschen Wissen vermitteln, das sie zur Vernichtung der Götter verwenden können.« Thot seufzte. »Kannst du nachvollziehen, dass meine Brüder dagegen Einwände haben könnten?«
Ich ballte die Fäuste. Ich dachte an die Seele meiner Mutter, die unter einem Vorsprung kauerte und sich festzuhalten versuchte. Die dunkle Macht musste Apophis’ Schatten sein. Apophis hatte mir diese Vision gezeigt, damit ich verzweifelte. Je stärker er wurde, desto stärker wurde auch sein Schatten. Er zog die Seelen der Toten an und vernichtete sie.
Vermutlich war der Schatten irgendwo in der Duat, aber das half nicht weiter. Es war ungefähr so, als würde man sagen: irgendwo im Pazifik. Die Duat war riesengroß.
Ich starrte Thot böse an. »Deine andere Option ist, du hilfst uns nicht und Apophis zerstört die Welt.«
»Das ist mir schon klar«, räumte er ein. »Deshalb rede ich ja immer noch mit euch. Es gibt tatsächlich eine Methode, mit der ihr den Aufenthaltsort des Schattens herausfinden könntet. Vor langer Zeit, als ich noch jung und einfältig war, schrieb ich ein Buch – eine Art Feldstudie – mit dem Titel ›Das Buch des Thot‹.«
»Griffiger Titel«, brummte Walt.
»Der Meinung war ich auch!«, sagte Thot. »Auf jeden Fall wird darin jede Gestalt und jede Verkleidung beschrieben, die jede Gottheit annehmen kann, weiterhin deren geheimste Verstecke – alle möglichen peinlichen Kleinigkeiten.«
»Einschließlich der Beschreibung, wie man ihre Schatten aufspürt?«, fragte ich.
»Kein Kommentar. Das Buch hätte nie den Menschen in die Hände fallen dürfen, doch es wurde schon vor langer Zeit von einem gerissenen Magier gestohlen.«
»Wo ist es jetzt?«, fragte ich. Dann hielt ich die Hände hoch. »Moment … lass mich raten. Du darfst es uns nicht sagen.«
»Ehrlich gesagt weiß ich es nicht«, sagte Thot. »Dieser gerissene Magier versteckte das Buch. Zum Glück starb er, bevor
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