Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
gesellschaftlich akzeptabel sind?
Isis verschränkte die Finger. Die beiden Themen sind enger miteinander verbunden, als du ahnst. Die Traditionen der Maat müssen befolgt werden, ansonsten siegt das Chaos. Unsterbliche und Sterbliche dürfen nur auf eine bestimmte, eingeschränkte Art miteinander verkehren. Außerdem kannst du dir gegenwärtig keine Ablenkung erlauben. Ich tue dir einen Gefallen.
Einen Gefallen!, sagte ich. Wenn du mir einen echten Gefallen tun willst, bring uns zum Vierten Haus der Nacht – dem Haus der Ruhe, Haus Sonnenschein oder wie du es auch nennen willst. Danach kannst du dich gefälligst aus meinem Privatleben raushalten!
Das mag unhöflich von mir gewesen sein, aber Isis hatte eine Grenze überschritten. Außerdem, warum sollte ich mich einer Göttin gegenüber korrekt verhalten, die vor kurzem Platz in meinem Hirn angemietet hatte? Isis hätte mich eigentlich besser kennen sollen!
Die Göttin seufzte. Sadie, Nähe zu den Göttern ist gefährlich. Man muss so was mit äußerster Vorsicht angehen. Das weißt du selbst. Dein Onkel ist noch immer von seiner Erfahrung mit Seth gezeichnet. Sogar deine Freundin Zia hat zu kämpfen.
Wie meinst du das?, fragte ich.
Wenn du dich mit mir verbindest, wirst du es verstehen, versprach Isis. Du wirst klar denken können. Es ist höchste Zeit, dass wir wieder eins werden und unsere Kräfte bündeln.
Da war es: das Verkaufsgespräch. Jedes Mal, wenn ich Isis herbeirief, versuchte sie mich zu beschwatzen, wieder wie früher mit ihr zu verschmelzen – Gott und Mensch bewohnen einen Körper und handeln mit einem Willen. Jedes Mal lehnte ich ab.
Aha , erwiderte ich, die Nähe zu Göttern ist gefährlich. Trotzdem drängst du, dass wir unsere Kräfte wieder vereinen. Was bin ich froh, dass du so um meine Sicherheit besorgt bist.
Isis musterte mich. Bei uns ist es etwas anderes, Sadie. Du brauchst meine Stärke.
Natürlich war es verlockend. Die geballte Kraft einer Göttin zur Verfügung zu haben war ein ziemlicher Kick. Als Auge von Isis fühlte ich mich selbstbewusst, nicht zu stoppen und völlig angstfrei. Man konnte süchtig werden nach solcher Macht – und genau das war das Problem.
Isis konnte eine gute Freundin sein, aber ihre Absichten waren nicht immer optimal für die Welt der Sterblichen – oder für Sadie Kane.
Was sie antrieb, war die Loyalität zu ihrem Sohn Horus. Um ihn auf dem Thron der Götter zu sehen, war sie zu allem bereit. Sie war ehrgeizig, rachsüchtig, machthungrig und voller Neid auf jeden, der über größere magische Kräfte verfügte als sie selbst.
Sie behauptete, meine Gedanken würden klarer werden, wenn ich sie in meinen Kopf ließ. Was sie wirklich damit meinte, war, dass ich Dinge mit ihren Augen betrachten würde. Er wäre schwieriger, meine Gedanken von ihren zu trennen. Irgendwann würde ich vielleicht sogar glauben, dass sie Recht daran tat, Anubis und mich voneinander fernzuhalten. (Schreckliche Vorstellung.)
Leider war aber an der Sache mit den vereinten Kräften etwas dran. Früher oder später müssten wir es tun. Anders wäre ich nicht stark genug, Apophis herauszufordern.
Doch es war noch nicht der richtige Zeitpunkt. Ich wollte so lange wie möglich Sadie Kane bleiben – einfach mein wunderbares Ich ohne irgendeine göttliche Mitfahrerin.
Bald , versprach ich Isis. Zuerst muss ich ein paar Dinge erledigen. Ich muss sicher sein, dass es meine eigenen Entscheidungen sind. Also, jetzt noch mal wegen des Portals zum Haus der Ruhe …
Isis hatte es ziemlich gut drauf, gleichzeitig verletzt und missbilligend auszusehen; als Mutter muss sie furchtbar gewesen sein. Fast tat mir Horus leid.
Sadie Kane , sagte sie, du bist meine Lieblingssterbliche, meine auserwählte Magierin. Und trotzdem traust du mir nicht.
Ich machte mir nicht die Mühe, ihr zu widersprechen. Isis wusste sowieso, was ich fühlte.
Die Göttin streckte resigniert die Arme aus. Wie du willst. Aber der Weg der Götter ist die einzige Antwort. Für sämtliche Kanes und auch für sie. Sie deutete mit einem Kopfnicken in Zias Richtung. Sie wird deinen Rat brauchen, Sadie. Sie muss den Weg schnell erlernen.
Wie meinst du das?, fragte ich wieder. Wenn sie endlich aufhören würde, in Rätseln zu sprechen! Eine nervende Angewohnheit von Göttern.
Zia war eine sehr viel erfahrenere Magierin als ich. Ich wusste nicht, welchen Rat ich ihr geben sollte. Außerdem war sie eine Feuermagierin. Sie tolerierte uns Kanes, doch sie hatte nie
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