Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
dem Wagen machen wollte.
    Jetzt, da er noch aus dem fensterlosen Wandloch auf das Festungstor blickte, ward ihm bewußt, wie sehr er hoffte, daß dem kleinen Griechen mit den traurigen Augen nichts passieren möge. Nicht allein, weil Louki mit seiner nie versagenden Findigkeit und seinen Ortskenntnissen unschätzbar wertvoll für sie war und gewiß noch sein würde, sondern weil er ihn wirklich sehr gern hatte, wegen seiner unveränderlich guten Laune und der Begeisterung, mit der er zu helfen und alles recht zu machen suchte, ohne im geringsten an sein eigenes Wohlbefinden oder seine Sicherheit zu denken. Ein durchaus liebenswerter kleiner Mann, für den sich sein Herz erwärmte. ›Das ist mehr, als ich von Panayis sagen kann‹, dachte er säuerlich, bereute aber sofort den Gedanken, denn Panayis war ja nicht durch eigene Schuld so geworden und hatte, in seiner düsteren und unfreundlichen Art, ebensoviel für sie getan wie Louki. Immerhin fehlte es ihm leider ganz an den menschlich sympathischen Zügen, die Louki so auszeichneten.
    Ihm fehlte auch Loukis schnelle, kluge Auffassung, das wohlberechnete Ausnutzen passender Gelegenheiten, das oft ans Geniale grenzte.
    So war es doch eine glänzende Idee von Louki gewesen, ihnen gerade dieses verlassene Haus zu verschaffen, obwohl es im Grunde nicht schwierig war, leere Häuser zu finden, denn seitdem die Deutschen im alten Schloß saßen, waren die Einwohner in Scharen aus der Stadt nach Margaritha und anderen Dörfern der Insel übergesiedelt, und am schnellsten die am Marktplatz ansässigen. Die Nähe der Festungsmauer, an der Nordseite des Platzes, war vielen an die Nerven gegangen, wenn sie ständig sehen mußten, wie die Eroberer durch das Tor aus und ein gingen und die Wachtposten hin und her marschierten, als ständige Mahnung, daß ihre Freiheit verloren war. So viele waren fortgezogen, daß über die Hälfte der Häuser an der Westseite des Platzes, auch die der Festung am nächsten liegenden, leer geworden und jetzt von deutschen Offizieren belegt waren. Und Mallory war nichts willkommener als gerade diese Möglichkeit, den Betrieb in und bei der Festung aus der Nähe beobachten zu können. Wenn die Zeit für ihren Coup kam, hatten sie nur wenige Meter zurückzulegen. Und wenn auch jeder tüchtige Festungskommandant sich stets gegen Überraschungen sicherte, hielt Mallory es für unwahrscheinlich, daß normale Menschen mit einem Sabotagetrupp rechneten, der so selbstmordfreudig war, daß er sich einen ganzen Tag buchstäblich nur einen Steinwurf weit von der Festungsmauer aufhielt.
    Das Haus an sich bot freilich keine besonderen Annehmlichkeiten. Als Wohnung gesehen war es denkbar ungemütlich, so vernachlässigt, daß sein Einsturz gewiß nicht mehr lange auf sich warten ließ. Die Westseite des Platzes – also die gefährlich nahe am Klippenrand liegende, und die Südseite hatten verhältnismäßig neue Häuser aus gekalktem Naturgestein oder parischem Granit. Sie waren, wie in diesen Inselstädtchen üblich, dicht aneinander gebaut und hatten flache Dächer, um vom Regen im Winter möglichst viel aufzufangen. An der Seite jedoch, wo sie sich befanden, gab es nur altmodische, mit Gras abgedeckte Holzhäuser, wie man sie sonst vorwiegend in den einsamen Bergdörfern fand.
    Die festgestampfte Erde unter Mallorys Füßen war höckerig und uneben, und den bisherigen Bewohnern hatte offenbar nur ein Winkel für alle möglichen Zwecke gedient, auch als Müllablage. Die Decke bestand aus grob zugehauenen geschwärzten Balken, unvollständig abgedeckt mit Planken, auf denen auch eine dicke Schicht festgetretener Erde lag. Mallory wußte aus früherer Erfahrung mit ähnlichen Häusern in den Weißen Bergen, daß das Dach bei Regen wie ein Sieb lecken würde. An einer Wand des Raumes war ein etwa dreiviertel Meter hoher Sims, der, ähnlich wie im Iglu der Eskimos, wechselweise als Bett, Tisch oder Sitzbank diente. Möbel gab es in dem Raum überhaupt nicht.
    Mallory drehte sich erschrocken um, als ihn jemand an der Schulter berührte. Hinter ihm stand Miller, seelenruhig kauend, eine Flasche mit einem Rest Wein in der Hand.
    »Futtern Sie lieber erst mal ein bißchen, Boß«, empfahl er ihm, »ich werde ab und zu durch das Loch linsen.«
    »Guter Gedanke, Dusty. Schönen Dank.« Vorsichtig – denn es war fast stockdunkel im Haus, und Licht wagten sie nicht anzumachen – begab sich Mallory in den Hintergrund des Raumes und tastete sich an den Wandvorsprung.

Weitere Kostenlose Bücher