Die Kanonen von Navarone
meldete sich Louki. »Der Herr Major ist so freundlich, aber schuld bin ich allein. Ich werde –.«
»Das kommt gar nicht in Frage, zum Donnerkeil!« sagte Miller ergrimmt, indem er Louki die MP aus den Händen riß und sie auf die Erde legte. »Sie haben gehört, was der Boß gesagt hat: daß es nicht Ihre Schuld war.«
Einen Moment musterte Louki ihn zornig, dann wandte er sich deprimiert ab. Er sah aus, als wollte er zu weinen anfangen. Und Mallory starrte den Amerikaner an, erstaunt über den jähen Zorn, den er bei ihm gar nicht kannte. Nun fiel ihm auch nachträglich auf, daß Dusty schon seit ungefähr einer Stunde merkwürdig schweigsam und in sich gekehrt gewesen war und die ganze Zeit kein Wort gesprochen hatte. Doch jetzt war nicht der Augenblick, sich darüber Sorgen zu machen …
Brown stellte sein verletztes Bein etwas bequemer und blickte Mallory hoffnungsvoll an. »Könnten wir hier nicht bleiben, bis es dunkel ist – richtig dunkel, und dann –?«
»Hat keinen Zweck. Wir haben fast Vollmond heute nacht und der Himmel ist wolkenlos. Da würden sie uns fassen. Und was noch wichtiger ist: wir müssen zwischen Sonnenuntergang und Zapfenstreich bis in die Stadt gekommen sein. Unsere letzte Chance. Tut mir leid, Casey, aber das geht nicht.«
Eine halbe Minute verging in Schweigen, dann erschraken sie alle, da plötzlich Stevens sprach.
»Was Louki wollte, war richtig«, sagte er gemütlich. Seine Stimme war schwach und klang doch so gelassen und fest, daß alle ihn unwillkürlich anschauten. Er hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und hielt Loukis MP in den Händen. So konzentriert hatten sie alle über die schwierige Situation nachgedacht, daß es keinem aufgefallen war, wie er die Waffe an sich nahm. »Es ist doch ganz einfach«, fuhr er ruhig fort, »wir müssen nur richtig überlegen … Der Wundbrand geht doch schon bis übers Knie, nicht wahr, Sir?«
Mallory schwieg, er wußte keine Antwort, die ganz unerwartete Frage von Stevens hatte ihn aus der Fassung gebracht. Nur schwach nahm er wahr, daß Miller ihn ansah und seine Augen ihn stumm baten, »nein« zu sagen.
»Stimmt das oder nicht?« Stevens' Frage bewies so viel Geduld und Verständnis für ihre Lage, daß Mallory auf einmal die Antwort wußte.
»Ja«, sagte er, »es stimmt.« Miller warf ihm einen entsetzten Blick zu.
»Danke, Sir.« Stevens lächelte befriedigt. »Bin Ihnen wirklich sehr dankbar. Wieviele Vorteile es bringt, wenn ich hierbleibe, brauche ich wohl nicht auszuführen.« In seiner Stimme lag eine Sicherheit, wie sie es bei ihm noch nicht erlebt hatten. Er sprach wie ein Mann, der die Situation in jeder Weise beherrscht. »Wird sowieso Zeit, daß ich was Nützliches tue. Kein zärtliches Abschiednehmen, bitte. Nur laßt mir ein paar Schachteln Patronen hier und zwei oder drei Handgranaten, und dann ab mit euch!«
»Den Teufel werden wir tun!« Miller war hochgesprungen und wollte auf ihn losgehen, doch die auf seine Brust gerichtete Maschinenpistole zwang ihn, jäh stehenzubleiben. »Einen Schritt noch, dann lege ich Sie um«, sagte Stevens ganz kühl. Miller maß ihn schweigend mit einem langen Blick, dann setzte er sich wieder auf die Erde.
»Ich hätte es wirklich getan«, versicherte Stevens ihm noch. »Also dann, lebt wohl, meine Herren. Und seid alle bedankt, daß ihr soviel für mich getan habt.«
Zwanzig, dreißig Sekunden vergingen, eine ganze Minute in einem merkwürdigen, wie traumhaften Schweigen, dann erhob sich Miller wieder vom Boden und stand groß und schlaksig in seinem zerrissenen Zeug vor Stevens. Sein Gesicht wirkte im Dämmerlicht sonderbar verhärmt.
»Bis bald, mein Junge. Ich glaube – well, ich bin doch wohl nicht so klug wie ich mir einbilde.« Er bückte sich, ergriff Stevens' Hand, blickte lange in das abgezehrte Gesicht und wollte offenbar noch mehr sagen. Aber er brachte nur die zwei Worte »Auf Wiedersehen« heraus, drehte sich um und ging schweren Schrittes um die Ecke zum talwärts führenden Weg. Einer nach dem anderen folgten sie ihm stumm, außer Andrea, der sich noch niederbeugte und Stevens etwas ins Ohr flüsterte, worauf der junge Mensch lächelnd nickte, als gäbe es nun keinerlei Mißverständnis mehr. Dann war nur noch Mallory bei ihm. Stevens blickte mit frohem Gesicht zu ihm empor.
»Ich danke Ihnen, Sir, daß Sie mir meinen Wunsch nicht versagt haben. Sie und Andrea – Sie verstehen mich. Haben mich immer verstanden.«
»Sie werden – Sie werden
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