Die Kanonen von Navarone
könnte ihm einer die Pointe wegnehmen. »Wieder einmal werden sie nichts finden«, sagte er triumphierend. »Und weshalb? Inzwischen wird es nämlich geregnet haben, der Mond wird verschwunden sein, die Sprengstoffe werden versteckt – und wir fort sein!«
»Wohin denn?« Mallory kam sich vor wie vernagelt.
»Nach Schloß Vygos, wohin denn sonst, Herr Major? So sicher wie die Nacht dem Tag folgt, werden sie nicht darauf kommen, uns nachher dort zu suchen!«
Mallory blickte ihn sekundenlang stumm an, dann wandte er sich an Andrea. »Kapitän Jensen hat bis jetzt nur einen einzigen Fehler gemacht: er hat als Führer dieses Unternehmens den falschen Mann ausgesucht«, murmelte er. »Aber das ist nicht mehr so wichtig, da wir Louki zur Seite haben, werden wir's schon schaffen.«
Langsam setzte Mallory seinen Rucksack auf dem Erddach ab, richtete sich hoch und spähte in die Dunkelheit, indem er mit beiden Händen die Augen vor dem ersten feinen Regenschauer schützte. Sogar von seinem Platz aus – auf dem wackligen Dach des der Festung am nächsten gelegenen Hauses an der Westseite des Marktplatzes – ragte die Mauer noch fünf bis sechs Meter über ihre Köpfe. Die bösartig nach außen und unten gebogenen Eisenspitzen am Rand waren jetzt in dieser Dunkelheit nicht mehr sichtbar.
»Das ist also die Mauer, Dusty«, sagte Mallory. »Kleinigkeit.«
»Kleinigkeit?« Miller war entsetzt. »Muß ich – muß ich etwa da hinauf?«
»Hindurch zu gehen würde Ihnen wohl verdammt schwerfallen«, erwiderte Mallory kurz. Er lächelte, klopfte Miller auf den Rücken und tippte mit der Fußspitze an den vor ihm liegenden Rucksack. »Wir schmeißen dieses Seil 'rauf, der Haken setzt sich fest und Sie klettern schneidig nach oben –.«
»Und verblute an den sechs Reihen Stacheldraht«, fiel Miller ein. »Louki sagt, solche großen Stacheln hätte er noch nie gesehen.«
»Wir werden das Zelt zum Auspolstern nehmen«, sagte Mallory beruhigend.
»Ich habe sehr zarte Haut, Boß«, klagte Miller, »da hilft höchstens eine Sprungfedermatratze.«
»Na, dann bleibt Ihnen nur noch eine Stunde, um eine aufzutreiben«, sagte Mallory gleichgültig. Louki hatte geschätzt, daß es mindestens eine Stunde dauern würde, bis das Suchkommando mit dem Nordteil des Städtchens fertig war, so daß er und Andrea Gelegenheit zu einem Ablenkungsmanöver hatten. »Kommen Sie, wir wollen die Sachen gut verstecken, und dann 'raus hier. Die Rucksäcke da in die Ecke und Erde darüber. Nehmen Sie aber erst das Seil heraus, denn wenn wir zurückkommen, werden wir zum Auspacken keine Zeit haben.«
Miller kniete nieder, er löste einige Riemen, dann rief er plötzlich voll Zorn: »Das kann nicht der richtige Rucksack sein!« und sogleich fuhr er ruhiger fort: »Doch. Eine Minute mal.«
»Was ist denn los, Dusty?«
Miller antwortete nicht gleich. Ein paar Sekunden tastete er in dem Rucksack, dann richtete er sich auf. »Der Zeitzünder, Boß.« Seine Stimme war ganz rauh vor Zorn, so voll Wut, daß Mallory staunte. »Der ist weg.«
»Was?« Mallory bückte sich und durchsuchte auch den Rucksack. »Das kann nicht sein, Dusty. Ist ja gar nicht möglich, Mann! Zum Donnerkeil, Sie haben doch alles selbst eingepackt!«
»Klar habe ich das, Boß«, sagte Miller krächzend. »Und dann muß ein schleichender Schweinehund sie hinter meinem Rücken ausgepackt haben.«
»Unmöglich«, widersprach Mallory. »Ganz und gar unmöglich, Dusty. Sie selbst haben den Rucksack heute früh in dem Gehölz zugeschnürt – das habe ich doch gesehen – und seitdem hat Louki ihn die ganze Zeit gehabt. Und für Louki würde ich die Hand ins Feuer legen.«
»Würde ich auch, Boß.«
»Vielleicht irren wir uns beide«, fuhr Mallory ruhig fort. »Vielleicht haben Sie das Ding beim Einpacken vergessen. Wir waren ja beide höllisch müde, Dusty.«
Miller blickte ihn sonderbar an, schwieg einen Moment, dann begann er wieder zu fluchen. »Ist meine eigene Schuld, Boß, meine eigene Schuld, zum Teufel noch mal.«
»Was meinen Sie – Ihre eigene Schuld? Himmel, Mann, ich war doch dabei, als …« Mallory hielt inne, sprang schnell auf und spähte in die Finsternis an der Südseite des Platzes. Dort war ein einzelner Schuß gefallen, dem peitschenden Knall des Karabiners folgte das Jaulen einer abprallenden Kugel, dann war es still.
Mallory stand, die geballten Fäuste an den Seiten, unbeweglich.
Über zehn Minuten waren vergangen, seit er und Miller Panayis
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