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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Trümmer. Allmählich verklang der Widerhall auf See, und zu hören war nur noch das Stakkato des achteren MG, das seine singenden Kugeln ziellos in die Luft jagte, bis der Gurt sich verklemmte und die See wieder so still war wie vorher. Noch stiller sogar –.
    Langsam und mit Mühe, noch benommen von der rein körperlichen Erschütterung durch den ohrenbetäubenden Doppelschlag der Explosionen in unmittelbarer Nähe, rappelte Mallory sich von den Planken auf und blieb zitternd stehen. Seine erste bewußte Regung war Erstaunen. Kaum zu glauben: die Sprengkraft und der Explosionsdruck der einen Handgranate und der zwei zusammengebundenen Stangen Dynamit waren, selbst auf diese kurze Entfernung, noch viel gewaltiger als er sich vorgestellt hatte.
    Das deutsche Boot war schon im Sinken, und es sank schnell. Millers selbstgemachte Bombe mußte den Boden unter der Maschine aufgerissen haben. Mittschiffs loderte ein heftiger Brand, und einen Moment dachte Mallory mit Schrecken an aufsteigende dunkle Rauchwölken, die feindliche Aufklärungsflugzeuge anlockten. Aber nur für einen Moment, denn die Spanten und Planken des Bootes, aus harzigem Holz und jetzt trocken wie Zunder, brannten rasend schnell und fast ohne Rauchentwicklung, das brennende, zusammenbrechende Deck hing schon weit nach Backbord über – in Sekunden mußte alles vorbei sein. Als sein Blick auf das zerschmetterte Gerippe des Ruderhauses fiel, hielt er unwillkürlich den Atem an, denn er sah den Offizier aufgespießt über dem zersplitterten Ruder hängen, gräßliches Zerrbild eines Menschen, der eben noch gelebt hatte – ohne Kopf, ein grauenhafter Anblick. Als er, nur nebenbei, vom eigenen Ruderhaus das harte Geräusch jähen, krampfigen Erbrechens vernahm, wußte er, daß auch Stevens dieses Bild gesehen hatte. Im Leib der sinkenden Kajike explodierten jetzt, mit dumpferen Geräuschen, die Brennstoffbehälter. Wie eine Fontäne stieß, von Flammen durchzuckt, schwarzer Qualm aus dem Maschinenraum empor. Wie durch ein Wunder taumelte das Boot noch einmal auf ebenen Kiel, bis an die Duchten schon eingetaucht, aber schnell strömte jetzt zischend das Wasser über Deck in die züngelnden Flammen, der Rumpf versank, die schlanken Mäste glitten senkrecht hinab zwischen Schaumwirbeln und ölglänzenden Blasen. Und das Ägäische Meer war wieder friedlich, so still, als habe dieses Boot nie existiert. Nur ein paar verkohlte Planken und ein umgekehrter Stahlhelm trieben langsam über die schimmernde Meeresfläche.
    Alle Willenskraft zusammennehmend, drehte Mallory sich langsam nach dem eigenen Schiff und seinen Männern um. Brown und Miller, die sich schon erhoben hatten, starrten wie gebannt auf den Fleck, wo eben noch das feindliche Schiff gelegen hatte, und Stevens stand an der Ruderhaustür. Auch er war unverletzt, doch sein Gesicht aschgrau. In dem kurzen Kampf war er über sich selbst hinausgewachsen, aber die Ernte des Todes, der flüchtige Blick auf den toten Leutnant am Ruder, hatten ihn tief erschüttert. Andrea, mit einer blutenden Wunde im Gesicht, blickte auf die zwei zu seinen Füßen liegenden MP-Schützen nieder. Sein Gesicht war ausdruckslos. Mallory betrachtete ihn lange. Er erriet Andreas Gedanken.
    »Tot?« fragte er ruhig.
    Andrea neigte den Kopf. »Ja«, sagte er ernst, »mein Schlag war zu stark.«
    Mallory wandte sich ab. Er mußte daran denken, daß von allen Männern, die er kannte, keiner soviel Grund hatte, seine Feinde zu hassen und zu töten, wie Andrea. Und er tötete sie auch, so rücksichtslos gründlich, daß man vor dieser Konzentration von Gewalttätigkeit erschrecken konnte. Aber selten tötete er einen Menschen ohne Bedauern, ohne die bittersten Selbstvorwürfe, denn er gestand sich nicht das Recht zu, Mitmenschen zu töten. Auch wenn er vernichten mußte, war und blieb er doch ein Menschenfreund. Ein schlichter Mann, ein Töter mit gütigem Herzen, der, ewig von seinem Gewissen gequält, innerlich keine Ruhe fand. Aber ungeachtet aller Gewissensbisse und der seelischen Unruhe ließ er sich nur leiten von ehrlicher Überzeugung und bewies in seiner simplen Weltanschauung kluge Weitsicht. Andrea tötete seit jenen furchtbaren Erlebnissen mit den Bulgaren weder aus Rache noch aus Haß, nicht aus Nationalismus oder für einen anderen »Ismus«, den die Selbstsüchtigen, die Narren und Schurken benutzen, um junge Menschen, die noch zu jung und zu unwissend sind, die Nutzlosigkeit ihrer Taten zu begreifen, aufs

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