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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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uns?«
    »Neues überhaupt nicht. Hatten schon Sorge genug, daß wir so lange geschwiegen haben. Sie sagten, von jetzt an wollten sie sich alle vier Stunden melden, ob wir bestätigen oder nicht. Das wiederholten sie ungefähr zehnmal, dann wurde abgeschaltet.«
    »Das wird uns ja mächtig helfen«, sagte Miller bissig. »Nett, zu wissen, daß sie uns zur Seite stehen, es geht nichts über moralische Unterstützung.« Er wies mit dem Daumen zum Eingang.
    »Die Bluthunde da draußen würden ja furchtbare Angst kriegen, wenn die wüßten … Haben Sie mal 'rübergelinst, ehe Sie 'reinkamen?«
    »Brauchte ich nicht«, sagte Brown mürrisch. »Konnte sie hören – klang mir, als wenn der führende Offizier ihnen Anweisung gab.« Fast unbewußt nahm er sein Schnellfeuergewehr zur Hand und probierte, wie das Magazin saß. »Müssen jetzt noch knapp eine Meile von hier sein.«
    Der Spähtrupp, der sich jetzt dichter beisammen hielt, war nicht knapp anderthalb, sondern kaum noch einen halben Kilometer von ihrem Unterstand entfernt, als der kommandierende Oberleutnant sah, daß der rechte Flügel seiner Schützenlinie, am steileren Abhang im Süden, wieder zurückblieb. Ungeduldig hob er die Pfeife zum Mund, um mit den drei scharfen Befehlstönen seine müden Männer wieder in Richtung zu bringen. Zweimal schrillte die Pfeife, energisch Gehorsam heischend, ihr von den verschneiten Hängen hallendes Echo verklang im Tal, aber der dritte Pfiff erstarb schon im Entstehen, wurde noch einmal lauter und lief in ein klagendes, unheimliches Diminuendo aus, das in gräßlicher Harmonie mit einem langen gurgelnden Schmerzensschrei verschmolz. Zwei, drei Sekunden stand der Oberleutnant wie angewachsen, das entsetzte Gesicht ganz verzerrt, dann klappte er plötzlich wie ein Taschenmesser nach vorn zusammen und fiel in den verkrusteten Schnee. Der stämmige Feldwebel neben ihm stierte verdutzt den Gefallenen an, dann hob er in jähem Begreifen den Blick, öffnete den Mund zu einem Befehl, seufzte und fiel müde über den Toten zu seinen Füßen, den bösen, peitschenartigen Knall der Mauser noch in den Ohren, als er den letzten Atemzug tat.
    Hoch oben an der Westflanke des Kostos, zwischen zwei große Felsblöcke gekeilt, blickte Andrea über das beigeklappte Zielfernrohr seines Gewehrs den dunkler werdenden Hang hinab und jagte noch drei Schüsse zwischen die unsicher hin und her tappenden Soldaten. Sein Gesicht war ganz unbewegt, und unbewegt blieben die Augenlider, die beim regelmäßigen Knallen seiner Mauser nicht ein einziges Mal zuckten. Er hatte alles Gefühl ausgeschaltet. Weder hart noch grausam war sein Blick, nur leer und fast erschreckend weltentrückt, so abgeschirmt wie sein Verstand, der jetzt alles Denken und Fühlen von sich wies, denn Andrea wußte, daß er über das, was er hier tat, nicht nachdenken durfte. Seine Mitmenschen töten, ihnen das Leben nehmen, war die größte aller Sünden, denn das Leben war ein Geschenk, das er keinem entwenden durfte. Nicht einmal im offenen Kampf. Und dies war Mord –.
    Langsam senkte er das Gewehr und spähte durch den verwehenden Pulverdampf, der schwer in der frostigen Abendluft hing. Die Feinde waren verschwunden, vollständig. Einzeln hatten sie schnell hinter Felsblöcken Deckung genommen oder sich hastig in den Schnee gewühlt, der sie unkenntlich machte. Aber auch so bildeten sie keine kleinere Gefahr. Andrea wußte, daß sie sich von dem Schrecken über den Tod ihres Offiziers schnell erholten – es gab in Europa keine besseren, zäheren Kämpfer als die Skitruppen des Gebirgsjägerbataillons – und daß sie dann zur Jagd auf ihn ansetzen, ihn fangen und, wenn möglich, töten würden. Und gerade deshalb hatte er zuerst ihren Offizier erschossen, weil der vermutlich nicht sofort die Verfolgung fortgesetzt, sondern vielleicht Halt geboten hätte, um erst genauer festzustellen, wie es kam, daß sie ohne Anstoß aus der Flanke beschossen wurden.
    Instinktiv duckte sich Andrea, als die Kugeln von einem plötzlichen Feuerstoß mörderisch jaulend an den Felsblöcken vor ihm absprangen. Damit hatte er gerechnet. Es war die klassische Angriffsmethode der Infanterie: Vorspringen unter Deckungsfeuer, hinlegen, den Kameraden durch Feuer abschirmen, daß der den nächsten Sprung tun konnte. Rasch rammte Andrea wieder eine volle Ladung ins Magazin seiner Mauser, legte sich platt aufs Gesicht und arbeitete sich ganz langsam hinter den niederen Felsbrocken weiter, die in einer

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