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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Seufzer aus. Ein Lächeln spielte in den Falten um seine Augen. Er blickte in den Himmel, zwinkerte, als die ersten federigen Schneeflocken auf seinen Augenlidern schmolzen, und lächelte wieder. Beinah gemächlich schob er einen neuen Satz Patronen ins Magazin seiner Mauser.
    »Boß?« Millers Stimme hatte einen klagenden Ton.
    »Ja, was ist denn?« Mallory wischte sich Schnee vom Gesicht und Kragen seines weißen Mantels und spähte in die weißgestrichelte Dunkelheit vor ihnen.
    »Boß, haben Sie, als Sie zur Schule gingen, mal die Geschichte von Leuten gelesen, die sich im Schneesturm verirrten und tagelang nur im Kreis wanderten?«
    »Wir hatten in Queensland genau dasselbe Buch«, bestätigte Mallory.
    »Immerfort im Kreise, bis sie starben?« fragte Miller hartnäckig weiter.
    »Oh, um Himmels willen!« sagte Mallory gereizt, denn ihn schmerzten die Füße, auch in den geräumigen Stiefeln von Stevens, ganz abscheulich. »Wie können wir denn im Kreise wandern, wenn wir die ganze Zeit bergab gehen? Was bilden Sie sich denn ein, wo wir sind, Mann – auf einer Wendeltreppe?«
    Miller war gekränkt und schritt stumm neben Mallory weiter, beide bis zu den Knöcheln in dem nassen, klebrigen Schnee, der in den letzten drei Stunden, seitdem Andrea den Spähtrupp der Jäger von ihnen abgelenkt hatte, ohne Pause geräuschlos niedergegangen war. Mallory konnte sich nicht erinnern, daß es in den Weißen Bergen auf Kreta selbst mitten im Winter so anhaltend und dicht geschneit hätte. ›Das sind nun die gepriesenen Inseln von Griechenland mit dem ewigen goldenen Sonnenschein!‹ dachte er zornig. Damit hatte er nicht gerechnet, als er beschloß, nach Margaritha hinunterzugehen, um etwas zum Essen und Feuerung zu holen. Aber bei seinem Entschluß wäre es trotzdem geblieben, denn Stevens wurde, obwohl er weniger Schmerzen hatte, zusehends schwächer und brauchte dringend Stärkung.
    Da Mond und Sterne von den dichten Schneewolken verdeckt waren und die Sicht nach allen Seiten kaum mehr als drei Meter betrug, war der Verlust der Kompasse ein schwerer Nachteil für ihr Unternehmen. Mallory zweifelte nicht an seiner Fähigkeit, das Dorf auch so zu finden – sie brauchten nur bergab zu gehen, bis sie im Tal an den Fluß kamen, und dann dessen Lauf nach Norden bis Margaritha zu folgen –, doch wenn es nicht zu schneien aufhörte, stand es schlecht um ihre Chance, die winzige Schutzhöhle auf dem riesigen Gelände des Berghanges wiederzufinden …
    Er erstickte einen Ausruf, als Millers Hand seinen Oberarm umspannte und ihn auf die Knie in den Schnee zog. Sogar in diesem Augenblick einer ihm noch unbekannten Gefahr empfand er einen langsam emporquellenden Zorn auf sich selbst, weil er mit seinen Gedanken aus der Gegenwart abgeschweift war … Er legte die Hand schützend an die Stirn und spähte mit verkniffenen Augen in den nassen samtweichen Vorhang von Weiß, der sich durch Wirbel aus dem Dunkel noch verdichtete. Auf einmal hatte er es: eine dunkle, massige Form, so nahe vor ihnen, daß sie beinah dagegengerannt wären. Er konnte die Umrisse erkennen.
    »Das ist die Hütte«, raunte er Miller ins Ohr. Sie hatten sie am frühen Nachmittag von oben gesehen, auf halbem Wege zwischen ihrem Unterstand und Margaritha, fast in gerader Linie zwischen beiden Punkten. Er fühlte sich erleichtert, seine Zuversicht wuchs wieder: in kaum einer halben Stunde konnten sie es bis zum Dorf schaffen. »Elementare Navigation, verehrter Korporal«, murmelte er. »Von wegen verirrt im Kreise laufen, so ein Blödsinn! Wenn Sie doch nur Ihr Vertrauen –« Er schwieg, als Millers Finger ihn heftig in den Arm kniffen und Millers Kopf sich dicht an sein Ohr legte. »Ich hab' Stimmen gehört, Boß«, vernahm er, leise wie einen Hauch.
    »Sind Sie sicher?« Mallory fiel auf, daß Miller seinen »unhörbaren« Revolver noch in der Tasche behielt.
    Miller zögerte. »Verdammt und zugenäht, Boß, sicher bin ich in gar nichts«, flüsterte er ärgerlich. »In der letzten Stunde habe ich mir alles eingebildet, was es geben kann!« Er zerrte seine Schneehaube vom Kopf, um besser zu hören, beugte sich vor und sank nach wenigen Sekunden wieder zurück. »Jedenfalls glaubte ich, etwas gehört zu haben.«
    »Los, kommen Sie – wollen mal nachsehen.« Mallory war wieder aufgestanden. »Ich denke, Sie haben sich geirrt. Die Jäger können's nicht sein, die waren weit hinter uns am Kostos, als wir sie zuletzt sahen. Und die Schäfer benutzen diese

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