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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Gummizüge seiner Leinenstiefel. Dann nahm er seine Mauser in die Hand, lächelte Mallory wie zur Entschuldigung an und sagte: »Ich möchte jetzt gern einen kleinen Spaziergang machen, Hauptmann. Nur mit deiner Erlaubnis natürlich.«
    Mallory nickte mehrmals, weil ihm wieder etwas zum Bewußtsein kam. »Du sagtest vorhin, ich zerbräche mir unnötig den Kopf. Ich hätte es wissen müssen, und du hättest es mir sagen können, Andrea.« Er beanstandete das nur so pro forma, es hatte keine Bedeutung, denn er war über diese stillschweigende Anmaßung der Befehlsgewalt weder zornig noch verstimmt. Andrea gewöhnte sich schwer daran, daß er nicht mehr Kommandeur war. Wenn er bei solchen Gelegenheiten betont um Zustimmung zu einem Vorhaben bat oder Mallory um Rat fragte, tat er das im allgemeinen nur aus Höflichkeit und um ihn in Kenntnis zu setzen. Anstatt Ärger fühlte Mallory eine ungeheure Erleichterung und war dem lächelnden Riesen, der ihn so überragte, im Grunde dankbar. Er hatte gleichgültig zu Miller gesagt, sie wollten Stevens mitschleppen, bis er starb, doch hinter dieser Gleichgültigkeit verbarg er die quälende Erbitterung über das, was zu tun er für seine Pflicht hielt. Aber wie elend ihm dabei ums Herz gewesen war, merkte er erst jetzt, als ihm bewußt wurde, daß diese Entscheidung nicht mehr notwendig war.
    »Entschuldige«, sagte Andrea, ein wenig zerknirscht, aber lächelnd, »ich hätte es dir sagen sollen. Dachte, du hättest von selbst verstanden … Es ist das Beste, was wir tun können, ja?«
    »Das Einzige«, sagte Mallory ehrlich. »Du willst sie höher am Berg hinauflocken?«
    »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn ich mich talwärts bewege, hätten sie mich auf ihren Skiern in zehn Minuten eingeholt. Zurückkommen kann ich natürlich erst, wenn es dunkel ist. Du bist dann hier, ja?«
    »Wir werden zu mehreren sein.« Mallory warf einen Blick durch den Raum, denn Stevens war aufgewacht, rieb die übermüdeten Augen und versuchte, sich hinzusetzen. »Wir brauchen Lebensmittel und Feuerung, Andrea«, sagte er leise. »Ich gehe heute nacht ins Tal.«
    »Selbstverständlich, richtig. Wir müssen alles versuchen.« Andreas Gesicht war ernst, er sprach kaum hörbar. »Und solange noch Zeit ist. Er ist ja beinah noch ein Kind … Vielleicht dauert es nicht lange.« Er zog den Vorhang zurück und betrachtete den Abendhimmel. »Ich werde bis sieben Uhr zurück sein.«
    »Sieben Uhr«, wiederholte Mallory. Er sah, daß es bereits dunkel wurde, eine graue Düsternis, die noch mehr Schnee ankündigte. Der zunehmende Wind wirbelte Wölkchen von flockigem Weiß auf und warf sie in den kleinen Unterstand. Mallory ergriff fröstelnd Andreas Arm. »Um Gottes willen, gib acht, daß dir nichts passiert, Andrea«, bat er ruhig.
    »Mir?« Andrea lächelte milde, aber ohne Freude, und entzog ihm sanft seinen Arm. »Über mich mach' dir keine Gedanken.« Er sprach ganz gelassen, ohne die leiseste Arroganz. »Wenn du aber Gott anrufen mußt, dann sprich mit ihm über die armen Kerle, die uns suchen sollen.« Der Vorhang fiel hinter ihm zu, er war gegangen.
    Mallory stand noch ein Weilchen unschlüssig am Eingang und blickte, ohne etwas zu sehen, durch die Lücke im Vorhang. Dann machte er jäh kehrt, ging zu Stevens und kniete neben ihm nieder. Der junge Mensch lehnte, sorgsam gestützt, in Millers Arm, seine Augen waren ohne Glanz und Ausdruck, die blutleeren Wangen tief in das pergamentgraue Gesicht gesunken. Mallory lächelte ihm zu und hoffte, daß Stevens ihm sein Entsetzen nicht anmerkte.
    »Fein, fein, fein, endlich ist unser Schläfer erwacht. Besser spät als gar nicht.« Er klappte sein wasserdichtes Zigarettenetui auf und bot es Stevens an. »Wie fühlen Sie sich denn jetzt, Andy? Geht es jetzt wieder?«
    »Wie erfroren, Sir.« Stevens lehnte kopfschüttelnd die Zigaretten ab und versuchte ein Lächeln. Es wurde eine so jämmerliche Karikatur, daß Mallory innerlich zusammenzuckte.
    »Und das Bein?«
    »Das ist wohl auch erfroren.« Stevens blickte ohne Neugier auf den dicken Verband. »Ich fühle es jedenfalls gar nicht.«
    »Erfroren?« Mallorys spöttischer Ton täuschte meisterhaft gekränkten Stolz vor. »Erfroren, sagt er! So eine verfluchte Undankbarkeit! Sie werden medizinisch hervorragend betreut, das darf ich sogar selbst sagen!«
    Ein kurzes, flüchtiges Lächeln erhellte Stevens' Gesicht, dann starrte er lange auf sein Bein, hob plötzlich den Kopf und sah Mallory frei ins

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