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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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fünf bis sechs Meter langen Reihe zu seiner Rechten lagen. Diesen Hinterhalt hatte er sorgsam ausgewählt. Am Ende der Reihe angekommen, zog er seine Schneehaube bis auf die Augenbrauen und lugte vorsichtig um die Kante des letzten Steins.
    Der zweite schwere Feuerstoß einer automatischen Waffe klatschte in die Felsblöcke, die er eben verlassen hatte, und sechs Mann – drei an jedem Ende der Schützenlinie, verließen ihre Deckung, hasteten halb kriechend, halb stolpernd, ein Stück am Hang entlang und warfen sich wieder in den Schnee. Am Hang »entlang« – die beiden Trupps waren nach entgegengesetzter Richtung gelaufen! Andrea zog den Kopf ein und rieb mit dem Handrücken über die grauen Stoppeln an seinem Kinn. Unangenehme Sache, sehr unangenehm –. Diese Füchse vom Württembergischen Gebirgsbataillon ließen sich auf einen Frontangriff nicht ein, sie zogen ihre Linie nach beiden Seiten auseinander, um mit den Spitzen einen weiten Halbkreis zur Umfassung zu formen. So schlimm das für Andrea war – er hätte vielleicht auch damit fertig werden können, denn hinter ihm verlief eine Geröllrinne bergauf, die er schon als Fluchtweg genau ausgekundschaftet hatte. Aber eins hatte er nicht vorausgesehen: daß die im Westen einbiegende Spitze des Spähtrupps beim Vorrücken auf den Unterstand stoßen mußte, in dem seine Kameraden sich verbargen.
    Er wälzte sich auf den Rücken und studierte den Abendhimmel. Die Dunkelheit brach, mit den schweren grauen Schneewolken, schnell an, es herrschte schon Zwielicht. Sich auf die Seite drehend betrachtete er die mächtige vorgebogene Schulter des Kostos, die vereinzelten Felsblöcke und die glatte, kaum von einer Vertiefung unterbrochene Wölbung des Abhangs. Als die Jäger wieder das Feuer eröffneten, spähte er noch einmal kurz um den Felsen und sah, daß die Umfassungsbewegung fortgesetzt wurde. Da wartete er nicht mehr: blindlings den Abhang hinunterfeuernd, stand er halb auf und warf sich, Finger am Abzug, ins Freie vor. Verzweifelt schnell stieß er sich mit den Füßen im gefrorenen Schnee ab, um hinter dem nächsten, gut dreizehn Meter entfernten Felsblock in Deckung zu gehen. Noch elf Meter, zehn, sechs – noch war kein Schuß gefallen – ein Ausrutschen und Stolpern auf dem glitschigen Geröll, hochfedernd wie eine Katze – drei Meter, und wie durch ein Wunder noch immun, und schon lag er, so heftig auf Brust und Bauch fallend, daß die Rippen einen furchtbaren Stoß bekamen und die Luft ihm fast knallend aus den Lungen fuhr, im Feuerschutz hinter dem Stein. Jetzt war er etwas geschützt.
    Nach Atem ringend, klappte er den Magazindeckel auf, rammte einen neuen Streifen hinein, wagte einen schnellen Blick über den Felsen und schwang sich wieder auf die Füße, alles in wenigen Sekunden. Das Gewehr vor dem Leib, begann er wieder zu feuern. Er schoß ziellos bergab, denn jetzt hatte er nur Augen für den trügerischen glatten Boden unter den Füßen und die von Geröll umgebene Vertiefung, die ihm unerreichbar fern erschien. Dann war sein Gewehr leergeschossen, es nützte ihm nichts mehr, und weit unten begannen jetzt sämtliche Waffen zu feuern, die Kugeln pfiffen ihm über den Kopf oder blendeten ihn durch dicke Schneespritzer, wenn sie vom Gestein abprallten. Aber das Zwielicht legte sich jetzt um die Berge, er war von unten nur noch undeutlich zu sehen, ein schnell dahinhuschender Fleck vor einem gespenstischen Hintergrund. Und bergauf ein Ziel genau zu treffen ist auch bei bester Sicht schon schwierig. Trotzdem – das massierte gleichmäßiger werdende Feuer von unten konzentrierte sich zur Mitte, deshalb mußte Andrea weiter. Während der Wind wie mit unsichtbaren Händen heimtückisch an den fliegenden Schößen seines Schneehemds zerrte, warf er sich fast waagrecht nach vorn und rutschte die letzten drei Meter in die willkommene Kuhle. In der Vertiefung legte er sich lang auf den Rücken, holte einen Stahlspiegel aus der Brusttasche und hielt ihn behutsam über den Kopf. Anfangs konnte er nichts erkennen, denn hier war es noch dunkler als auf ebenem Grund, und der Spiegel war von seiner Körperwärme beschlagen. In der kalten Bergluft wurde die Fläche schnell klar: er sah jetzt zwei, drei, dann sechs Mann aus der Deckung springen und in schwerfälligem Trab geradewegs auf den Abhang vorstoßen. Und – zwei von ihnen waren vom äußersten rechten Flügel der Kette gekommen! Andrea senkte den Spiegel und stieß einen langen, befreienden

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