Die Kanonen von Navarone
Gesicht.
»Sir, es hat doch keinen Zweck, daß wir uns selbst etwas vormachen«, sagte er weich, fast tonlos. »Ich möchte nicht undankbar erscheinen, und billiger Heroismus ist mir von Grund auf verhaßt, aber – na ja, ich bin doch bloß ein verdammt schwerer Mühlstein an Ihren Hälsen und –«
»Wir sollen Sie liegenlassen, was?« unterbrach ihn Mallory. »Damit Sie hier vor Kälte sterben oder von den Deutschen gefangen werden! Nichts zu machen, Jungchen. Wir können uns auch um Sie noch kümmern, wenn wir es schon mit den verflixten Kanonen aufnehmen.«
»Aber, Sir –«
»Sie beleidigen uns, Leutnant.« Jetzt schlug Miller wieder den hochfahrenden, ironischen Ton an. »Wir fühlen uns gekränkt. Im übrigen muß ich als Fachmann meinen Patienten bis zur Genesung betreuen, und wenn Sie glauben, ich werde das in einem elenden, feuchten Kerker bei den Deutschen tun, dann können Sie –«
»Genug!« Mallory hielt die Hand hoch. »Schluß mit dem Thema.«
Er sah in den abgemagerten Wangen den rötlichen Schimmer, sah, wie es in den stumpfgewordenen Augen freudig leuchtete, und litt unter Scham und Selbstverachtung, Scham über die Dankbarkeit eines Mannes, der nicht wußte, daß ihre Sorge nicht seiner Gesundheit galt, sondern daß sie Furcht hatten, er könne sie verraten … Er bückte sich, schnürte seine hohen Stiefel auf und sagte, ohne hochzublicken: »Dusty.«
»Ja?«
»Wenn Sie genug mit Ihrer ärztlichen Tüchtigkeit geprotzt haben, wenden Sie die vielleicht mal auf meine Füße an, wie? Die Stiefel des Postens sind ihnen leider nicht gut bekommen.«
Nach einer für Mallory schmerzhaften Viertelstunde schnitt Miller die Ränder des geklebten Verbandes am rechten Fuß glatt, reckte sich mühsam und betrachtete stolz seiner Hände Werk. »Schön, Miller, schön«, murmelte er selbstgefällig. »Nicht mal an der Universität der Stadt Baltimore …« Er hielt inne, fixierte mit gefurchter Stirn den dick bandagierten Fuß und hustete entschuldigend. »Eine Kleinigkeit ist mir eben noch eingefallen, Boß.«
»Das habe ich auch erwartet«, sagte Mallory ärgerlich. »Wie soll ich nach Ihrer Ansicht meine Füße wieder in diese verdammten Stiefel 'reinkriegen?« Er erschauerte unwillkürlich, als er dicke, vom geschmolzenen Schnee durchnäßte und verfilzte Wollsocken anzog, die Schuhe des deutschen Wachtpostens hochhob, sie am gestreckten Arm vor sich hinhielt und angewidert betrachtete. »Nummer sieben, höchstens«, sagte er, »und noch verdammt klein ausgefallen!«
»Nummer neun«, sagte Stevens lakonisch, indem er ihm seine eigenen Bergstiefel zureichte. Der eine war an der Seite offen, wo Andrea ihn vom Fuß geschnitten hatte. »Das läßt sich leicht wieder dichtmachen, und mir nützen sie keinen Pfifferling mehr. Bitte keinen Protest, Sir.« Er begann leise zu lachen, zog aber sofort zischend die Luft durch die Zähne, da die Bewegung in seinen zersplitterten Knochen heftige Schmerzen auslöste. Nach ein paar tiefen, zitternden Atemzügen lächelte er, ganz weiß im Gesicht. »Mein erster – und wahrscheinlich letzter Beitrag zu der Expedition. Welchen Orden werde ich dafür wohl kriegen, Sir, was meinen Sie?«
Mallory nahm die Stiefel und blickte Stevens schweigend an, dann drehte er sich um, denn die Zeltbahn wurde zur Seite geschoben. Brown taumelte herein, setzte den Sender mit der zusammenschiebbaren Antenne zu Boden und holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Sie entglitten seinen steifgefrorenen Fingern und fielen in den Eisschlamm zu seinen Füßen, wo sie sofort naß wurden, wie von bräunlichem Saft durchtränkt. Er fluchte kurz und ohne Kraft, schlug sich die abgestorbenen Hände um die Schultern, gab es gleich wieder auf und setzte sich schwerfällig auf den nächsten Stein.
Man sah ihm an, wie ermattet, kalt und jammervoll elend er sich fühlte.
Mallory zündete eine Zigarette an und gab sie ihm. »Wie ging es, Casey? Konnten Sie sie überhaupt kriegen?«
»Die haben mich gekriegt – wenn man's so nennen will. Der Empfang war lausig schlecht.« Brown zog dankbar den Tabakrauch tief in die Lungen. »Und ich konnte gar nicht durchkommen. Muß an dem verdammt hohen Berg da im Süden liegen. Warum – sind die Berge dort so hoch?«
»Wahrscheinlich«, sagte Mallory nickend. »Und was bringen Sie Neues von den Herrschaften in Kairo? Fordern die uns zu größerer Anstrengung auf? Daß wir uns gefälligst beeilen sollen? Oder wollen sie sonst was von
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