Die Kanonen von Navarone
Louki. Wir brauchen Hilfe, sehr nötig und schnellstens. Sie wissen, in welche Gefahr Sie kommen, wenn Sie uns helfen und in Gefangenschaft geraten?«
»Gefahr?« Louki winkte verächtlich ab. »Gefahr für Louki und Panayis, die Füchse von Navarone? Unmöglich! Wir sind die Geister der Nacht.« Er brachte hüpfend seinen Rucksack höher auf die Schultern. »Kommen Sie, wir wollen Ihren Freunden diese Eßwaren bringen.«
»Eine Minute noch.« Mallory legte ihm die Hand auf den Arm. »Noch zweierlei: wir brauchen Wärme – einen Ofen und Feuerung, und außerdem –«
»Wärme? Einen Ofen?« rief Louki ungläubig. »Ihre Freunde da oben, sind das alte Weiber?«
»Und außerdem Verbandzeug und Medikamente«, fuhr Mallory geduldig fort. »Einer unserer Kameraden hat schwerste Verletzungen. Wir wissen es noch nicht, aber er wird wohl kaum durchkommen.«
»Panayis!« schrie Louki. »Zurück ins Dorf.« Er sprach jetzt griechisch, gab in rapidem Tempo seine Befehle, ließ sich von Mallory die Lage des Unterstands beschreiben und überzeugte sich, daß Panayis alles verstanden hatte. Dann blieb er einen Moment, an seinem Schnurrbart zupfend, unschlüssig stehen. Schließlich wandte er sich an Mallory. »Könnten Sie die Höhle allein wiederfinden?«
»Das weiß nur Gott«, erwiderte Mallory. »Ich glaube es, offen gestanden, nicht.«
»Dann muß ich mit Ihnen gehen. Ich hatte gehofft – es ist nämlich eine schwere Traglast für Panayis – habe ihm gesagt, er soll auch Bettzeug mitbringen, und deshalb kann er wohl nicht –«
»Ich werde ihn begleiten«, erbot sich Miller. Er dachte an seine zermürbende Arbeit auf der Kajike, an die Ersteigung der Klippe und ihren Gewaltmarsch im Berggelände. »Die Bewegung wird mir guttun«, ergänzte er ironisch.
Louki übersetzte das für Panayis – der bisher geschwiegen hatte, offenbar weil er gar nicht Englisch verstand, und jetzt in einen wahren Proteststurm ausbrach.
Miller blickte ihn verblüfft an. »Was ist denn mit unserem Sonnenschein los?« fragte er Mallory. »Kommt mir nicht gerade begeistert vor.«
»Er behauptet, das allein zu können, und will auch allein gehen«, dolmetschte Mallory. »Er meint, Sie wären in den Bergen zu langsam für ihn.« Den Erstaunten spielend, schüttelte er spöttisch den Kopf. »Als ob Miller sich jemals abhängen ließe!«
»Sehr richtig!« Louki war mächtig erbost, er redete wieder auf Panayis ein und unterstrich immerfort mit stechendem Zeigefinger seine Worte. Miller fragte besorgt: »Was erzählt er ihm denn jetzt, Boß?«
»Nur die Wahrheit«, antwortete Mallory feierlich. »Erklärt ihm, er müsse sich geehrt fühlen, mit Monsieur Miller, dem weltberühmten amerikanischen Bergsteiger, zu gehen.« Mallory feixte. »Panayis wird heute nacht sein Bestes zeigen, um zu beweisen, daß ein Navaronier so gut und schnell klettern kann wie jeder Ausländer.«
»Oh, mein Go-o-ott«, stöhnte Miller.
»Und vergessen Sie nicht, Panayis auf dem Rückweg an den besonders steilen Stellen hübsch nachzuhelfen.«
Millers Antwort blieb zum Glück in einer plötzlich einfallenden Schneeböe unverständlich.
Der Wind nahm jetzt ständig zu, ein scharfer Wind, der ihnen den dichten Schnee auch, wenn sie sich bückten, ins Gesicht warf. Ein schwerer Schnee, der gleich bei der Berührung schmolz und durch die feinsten Ritzen ihrer Kleidung drang, bis sie ganz durchnäßt waren und jämmerlich froren. Ein klammer, klebriger Schnee, der sich immer wieder fingerhoch und bleischwer unter ihren Stiefeln ballte, so daß sie mit dem Abstoßen viel Kraft verbrauchten und ihnen von diesem unsicheren Gehen bald die Beinmuskeln schmerzten. Von Sicht konnte keine Rede sein, kaum einen Meter vor sich vermochten sie zu sehen. Wie eine unveränderliche Decke hing dicht das wirbelnde grauweiße Gespinst vor ihnen. Louki, als Führer, schritt so unbeirrbar sicher, wie der Mensch über seinen eigenen Gartenweg geht, schräg den Abhang hinauf.
Er schien so gewandt und so unermüdlich wie eine Bergziege zu sein, und seine Zunge war ebenso beweglich und ausdauernd wie seine Beine. Er sprach pausenlos, ganz außer sich vor Freude, wieder aktiv tätig sein zu können, einerlei was es zu tun gab, wenn es nur gegen den Feind ging. Er berichtete Mallory von den letzten drei Angriffen, die blutig abgewiesen waren. Die Deutschen mußten über den Angriff von See her rechtzeitig informiert gewesen sein, denn sie hatten den Bootssonderdienst und die
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