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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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werden auch die Normalbürger nicht mehr normal reden, und dann sind sie vielleicht auch keine Normalbürger mehr, Frau Kanzlerin. Sondern dann ist jeder Bürger wieder etwas ganz Besonderes. Aber so ist es noch nicht. Und den Bürgern wird ins Hirn gehustet.«
    »Herr Kranich, das ist Unfug, und ich möchte die Unterhaltung an dieser Stelle jetzt unterbrechen.«
    »Auch für Unfug gibt es Synonyme, Killepitsch zum Beispiel. Oder Schnullerbuller. Oder Schwachfug.«
    »Ich weiss ja nicht, was derzeit in Ihrem Kopf vorgeht, Kranich, aber ich gebe zu: Killepitsch, das gefällt mir sehr gut. Und auch Schwachfug hat etwas für sich. Ich glaube, ich werde mir diese Seite auch mal ansehen, Kranich, Sie machen mich neugierig. Und erinnern mich gleichzeitig daran, dass uns die Redenschreiber ja immer wieder Jargonwörter in die Manuskripte pflanzen, mit denen wir uns dann lächerlich machen. Ich streiche alle – stimmt nicht. Vor ein paar Monaten habe ich auf einer Parteiversammlung an einer Stelle gesagt: ›Das ist doch einfach crazy.‹ Es war so still im Saal, dass ich mich wie eine Verrückte fühlte und sagte: ›Sorry, aber es ist einfach crazy, es ist verrückt …‹ Ich glaube, Herr Kranich, die Menschen haben eine sehr enge Vorstellung davon, was sie von Politikern hören wollen und was nicht. Andererseits finde ich es lächerlich, wie manche Politiker sich anbiedern. Es ist nicht Aufgabe eines Politikers, nah bei den Leuten zu sein oder, wie die Sozialdemokraten das plakatiert haben wollen, nah beim Menschen. Es ist ja manchmal schon zu viel erwartet zu hoffen, dass die Leute bei sich selbst sind. Sollte ihnen das aber gelegentlich gelingen, dann sollten wir als Politiker sie nicht stören. Wir haben anderes zu tun. Wir haben für den nötigen Abstand zu sorgen, ohne den es nicht geht in der Politik. Nähe ist einepersönliche Kategorie. Und die Politik sollte sich davon fernhalten. Von allem, was allzu persönlich ist. Und selber sollte man nur gelegentlich etwas Persönliches in die Politik mit einbringen, weil es sonst Missverständnisse geben könnte.«
    »Welche?«, fragte Kranich.
    »Würden die Leute von uns das Menschliche erwarten, das Menschenmögliche, dann würden sie uns kein Amt geben und kein Mandat.«
    Die Kanzlerin dachte nach, und Kranich sagte: »Knick-Knack. Sie denken, Frau Kanzlerin, und bei sprachnudel.info gibt es auch Synonyme für einen Kopf, der denkt. Und dazu gibt es sogar einen Beispielsatz.«
    »Den will ich hören, Kranich, aber dann ist Schluss damit.«
    »Der Kopf heisst Hirse, Omme, Bedeutungsspeicher oder Denksalon …«
    »Denksalon passt mir am besten«, sagte die Kanzlerin, »weil Denken doch eher etwas Strapaziöses ist, und darum finde ich es durchaus angebracht, den Gedanken einen Salon zu geben und kein Mansardenzimmerchen. Und wie heisst der Beispielsatz?«
    »Ich bin im Denksalon erheblich negativ belastet.«
    »Positiv belastet, das würde gar nicht gehen. Weil eine Last ist eine Last. Und darum würde ich eher sagen wollen: Ich fühle mich in meinem Denksalon nicht selten positiv befreit. Aber, Herr Kranich, das Hühnchen, das ich mit Ihnen noch rupfen wollte, Sie haben mich danach gar nicht gefragt.«
    »Von der Affäre zwischen Frau Hell und Herrn Boron habe ich nichts gewusst.«
    »Von einer Affäre würde ich auch nicht sprechen wollen, Herr Kranich. Es war vielleicht sogar eine Liebe, insofern als sich da zwei Menschen zu nahe gekommen sind. Und wie gefährlich das sein kann, hat sich ja nun leider wieder einmal gezeigt. Hätte Herr Boron den – sicherlich vorhandenen – Distanzwunsch von Frau Hellrespektiert, dann würde sie jetzt noch leben und er auch. Aber vielleicht können Männer das nicht verstehen, dass man das Leben leben lassen muss, weil man sonst davon nämlich nichts hat.«
    »Bei sprachnudel.info heissen Männer auch Mitglieder«, sagte Kranich. »Oder Dreibeiner.«
    »Den Beispielsatz ersparen Sie mir bitte, Mitglied Kranich. Wie viele Synonyme gibt es übrigens für Frauen, Herr Kranich?«
    »Sechsundzwanzig, bis jetzt, aber nichts Aussergewöhnliches. Und unter Politikerin habe ich nichts gefunden.«
    »Und wie nennen die Sprachnudler das Aussergewöhnliche?«
    Kranich zögerte. »Spektakulär«, sagte er dann, »legendär, beispiellos, merkelwürdig …«
    »Finden Sie das witzig, Kranich?«
    »Nein, aber irgendwie lollig ist es schon.«
    »Herr Kranich, ich fände es jetzt überhaupt nicht komisch, wenn Sie sich kurzfristig

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