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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Ausflug. Benedikt, vielleicht lieben wir uns nicht. Aber ein Respekt ist da, gegenseitig, wie ich finde. Und Respekt, das ist doch fast schon ein Parameter für eine gute menschliche Beziehung, eine verlässliche Grösse. Ich habe dir viel zu verdanken und konnte mich immer auf dich verlassen, was vielleicht wieder einmal gesagt sein sollte.«
    Eisele schwieg, und die Kanzlerin biss sich auf die Zunge. Sie hatte das ehrlich gemeint, aber er war so misstrauisch wie sie.
    »Du bist ein Stratege, Benedikt, und das war ich nie, und darum bewundere ich das auch, dass es Politiker gibt wie dich, die, wie es etwas dümmlich heisst, über den Tellerrand hinausschauen können und wollen.«
    »Aber leider, Xenia, ist es so, dass ich an dieser Qualität, die du dem Strategischen beimisst, umso mehr zweifle, je länger ich in der Politik bin. Und das bin ich ja nun schon eine ganze Weile. Woraus sich ergibt, dass ich dem Strategischen keine allzu grosseBedeutung mehr gebe, auch wenn ich, zugebenermassen, immer noch sehr viel Freude habe an strategischen Überlegungen.«
    »Ein Wort von dir hätte genügt, und du wärst jetzt Bundespräsident«, sagte die Kanzlerin. »Das wäre für mich ein Kinderspiel gewesen, und das weisst du auch.«
    »Und du weisst, Xenia, dass ich das nicht wollte. So viel Neujahr kann es in einem Jahr nicht geben, wie ein Bundespräsident braucht, um all seine Neujahrsreden halten zu können. Weil ja praktisch jede Rede eine Neujahrsansprache sein muss: diesem Anspruch hätte ich nicht genügen können. Ich mag den Alltag und die Alltagspolitik, das ist meine Stärke, und das fordert mich noch immer heraus.«
    »Benedikt, wie geht es dir gesundheitlich?«
    »Ich denke gern, und mit Gedanken lässt sich vieles denken, und manchmal geht es einem dann sogar besser, als man gedacht hat.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Ich bin auch ein Realist, wie du weisst, Xenia. Ich sitze unbequem, aber das kann kein Thema sein. Perfid finde ich nur, dass es Leute gibt – auch Parteifreunde –, die unterstellen, dass meine Politik als Innenminister von meiner Biographie geprägt sei. Das verletzt, weil es so dumm ist. Als ob nicht jedes Leben geprägt wäre von dem, was jemand erlebt hat. Und jetzt muss ich mich charakterisieren lassen als Innenminister, der Selbstjustiz übt und Rache nimmt am Rechtsstaat. Und das ist bitter, Xenia, und nicht ich bin verbittert.«
    »Du weisst, dass ich alle deine Sicherheitsvorschläge – das möchte ich betonen – unterstützt habe und weiter unterstützen werde.«
    »Xenia, ich hab den Vorteil, dass ich den Frauen nichts mehr beweisen muss, nicht einmal der Kanzlerin. Und du hast den Vorteil, dass du den Männern nichts mehr beweisen musst, also auch mir nicht.«
    »Ich mag ihn sehr, deinen Sarkasmus. Er hebt sich auf wohltuende Art von dem sonst üblichen Gesäusel ab. Benedikt, ich bewundere deine Kraft.«
    »Quatsch. Aber manchmal bekomme ich Briefe von Leidensgenossen. Kürzlich hat mir ein sechzehnjähriger Junge geschrieben. Er hatte Angst, im Rollstuhl in sein bayerisches Dorf zurückzukehren. Aber er hat es geschafft. Er geht wieder in die Dorfdisco.«
    »Und ich weiss jetzt gar nicht, was ich zu all dem sagen soll, Benedikt. Du hast mit mir noch nie so geredet, so persönlich. Das macht mich jetzt fast schon etwas verlegen. Aber ich fühle mich auch sehr geehrt, das habe ich nicht erwartet.«
    »Ach, Xenia, mit Ehre hat das nichts zu tun. Weisst du, was dein Physikerkollege Stephen Hawking gesagt hat, als ihn ein Journalist einmal fragte, welchen Wunsch er sich zuerst erfüllen würde, wenn er nicht mehr an den Rollstuhl gebunden wäre? Er sagte: ›Sex, Sex mit einer schönen Frau.‹ Und im Gegensatz zu ihm bin ich kein Genie.«

I ch verstehe den Widerstand gegen den Einsatz von Gas nicht. Ich bin sehr dafür, Giftgas gegen unzivilisierte Stämme einzusetzen.
    Anarchisterix mochte passende Sinnsprüche, dachte Jodler, und dass er das Merkblatt zu verdichteten Gasen mit einem Satz von Sir Winston Churchill aufgepeppt hatte, war vielleicht witzig, änderte aber nichts daran, dass Cookie & Co zwar fast perfekt zusammengesetzt war, aber eben nur fast. Die Gruppe hatte einen Chemiker, einen Nachrichtendienstler, eine Anästhesistin, einen Computerspezialisten, eine Liebesgöttin, eine Biologin, einen Türsteher, eine Pharmazeutin und einen Philosophen – und ihn, Jodler. Und bei dieser Aktion war er der Wichtigste. Weil der entscheidende Punkt die Ventiltechnik war.

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