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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Sound …«
    »So hat er das gesagt?«
    »Und er hat von Freddie Mercury geschwärmt und Queen mit Beethoven verglichen.«
    »Queen«, sagte die Kanzlerin, »das erinnert mich jetzt wiederum an Maggie Thatcher. Soll an Demenz erkrankt sein und weiss angeblich nicht einmal mehr, dass ihr Mann schon lange tot ist. Schrecklich, findest du nicht auch, Jeremias?«
    »Wir lesen offenbar nicht die gleichen Zeitungen, Frau Kanzlerin.«
    »Und was gefällt dem Zwicki denn so gut an Queen?«
    »Dass man bei ihnen für jede Lebenssituation ein gutes Stück finde. Für die Sozialdemokraten hält er das Stück Under Pressure für angebracht.«
    »Du nicht?«
    »Ich kann mit Drucksituationen meistens sehr gut umgehen.«
    »Bist du jetzt unter Druck?«
    »Ja.«
    »Und möchtest du mir nicht die Gegenfrage stellen?«
    »Nein.«
    »Dann möchte ich dir darauf trotzdem eine Antwort geben«, sagte die Kanzlerin. »Ich bin massiv unter Druck, und ich kann damit überhaupt nicht gut umgehen.«
    »Und wer oder was setzt dich unter Druck, Xenia?«
    »Meine Büroleiterin ist verstorben, plötzlich. Angeblich hat ihr Herz ganz plötzlich aufgehört zu schlagen. Und angeblich hat einer meiner Leibwächter eine Kollegin derart geliebt, dass er sie getötet hat. Und offenbar hat er das so sehr bereut, dass er sich anschliessend das Leben genommen hat. Und von unserem Innenminister Eisele höre ich, dass sich in Deutschland eine Art Anarchiewelle verbreitet. Jeremias, kannst du dir das vorstellen? Anarchistische Zustände in Deutschland?«
    »Absurd«, sagte Schiller.
    »Das habe ich dem Herrn Innenminister mit exakt diesem Wort zum Ausdruck gebracht. Absurd. Aber wie gesagt, alles ist plötzlich. Und plötzlich ist vielleicht auch etwas ganz Absurdes da. Was mich im Augenblick allerdings noch mehr beschäftigt, ist die Frage, was sich dieser Gaudenz Zwicker davon verspricht, mit Queen auf Wählerfang zu gehen. Welche Wählergruppe er da wohl im Auge hat? Sei’s drum. Prost noch einmal, mein Stellvertreter, und bitte wirke mässigend ein auf Russen wie Amerikaner gleichermassen in den paar Tagen meiner Abwesenheit. Ich weiss ja nicht, ob du einen Lieblingssatz hast, lieber Jeremias, wenn nicht, dann schenke ich dir einen: Mässige dich bitte …«
    Schiller lächelte verschmitzt, prostete ihr zu, und die Kanzlerin sagte: »We are the champions, gehen wir. Stellen wir uns der Weltpresse.«
    »Hast du dich vorbereitet?«, fragte er.
    »Wie man Grossmäulern den Mund stopft«, antwortete sie. »Ein Schlagfertigkeitstrainer hat fünf Abwehrstrategien entwickelt für Kinder, die in der Schule gepiesackt werden und sich wehrlos fühlen.«
    Schiller grinste immer noch.
    »Wenn zum Beispiel jemand zu einem Schüler sagt: ›Du stinkst‹, dann kann dieser Schüler in die Offensive gehen und antworten: ›Warte, bis ich die Schuhe ausgezogen habe.‹ Übertreiben als ersteStrategie, Jeremias. Oder den Angriff ironisieren«, sagte die Kanzlerin. »Oder kontern. Der Schüler könnte sagen: ›Da passen wir ja gut zusammen.‹ Oder er könnte sich dumm stellen und eine Antwort auf eine ganz andere Frage geben.«
    »Diese Taktik der Verwirrung beherrschst du ja perfekt, Xenia«, sagte Schiller.
    »Nicht nur die, Jeremias. Auch die Strategie ›ins Leere laufen lassen‹ liegt mir. Der als Stinker beschimpfte Schüler kann sagen: ›Dann halte ich mir wenigstens unangenehme Leute vom Hals.‹ Und wie du weisst: Kinder und Narren sagen die Wahrheit.«
    »Besoffene manchmal auch«, sagte Schiller.

» E s gibt Situationen im Leben, da wird plötzlich alles ausser Kraft gesetzt.« Ein Satz aus einer Krimiserie, den Bossdorf schon den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf brachte, obwohl er nichts bei sich entdecken konnte, womit er das hätte verknüpfen können. Aber der Satz wirkte fast magisch in ihm. Alles ausser Kraft setzen. Auch die Schwerkraft?
    Seine Mutter hatte gesagt: »Aber natürlich verstehe ich das, mein Sohn, dass du dem Ruf der Kanzlerin folgen und ihr zur Seite stehen musst bei ihrer letzten Pressekonferenz, und der Kuchen, den ich für dich gebacken habe, der ist auch morgen noch frisch.«
    »Ich kann auch morgen nicht zu dir kommen«, hatte er gesagt, und da blieb es still in der Leitung. »Eine Verabredung, nicht zu verschieben.«
    »Aber eine Mutter, die lässt sich gut verschieben«, hatte sie erwidert.
    »Ich will nicht streiten, Mutter, es geht nicht. Ich komme in zwei Tagen.«
    »Komm, wenn dir danach ist, deine Mutter ist immer

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