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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Existentialismus ist wohl letztlich eine Idee gescheiterter Existenzen.«
    »Wir scheitern alle«, sagte Kranich und wusste nicht, ob das der Grund war, dass die Kanzlerin sich abrupt erhob und ohne ihn weiterging, die Arme auf dem Rücken verschränkt und schneller als zuvor. Er ging ihr nach, schritt mit zwei Metern Abstand hinter ihr her, bis sie sich umdrehte und sagte: »Machen Sie sich nicht lächerlich, Kranich. Ein Nebeneinander heisst ja nicht Gleichschritt oder gar gleiche Augenhöhe.«
    Sie war nervös und schwieg wieder, und Kranich sah, dass sie in eine Weite schaute, die es hier in der Hasenheide nicht gab, mit den Büschen und Bäumen, den kleinen Wiesen, den vielen stillen Örtchen, die er alle kannte.
    »Ich wollte spazieren, Kranich, aber mir ist nicht mehr danach zumute. Setzen wir uns wieder«, sagte die Kanzlerin nach einer Weile. »Klabund war ein dichtender Vagabund«, nahm sie den Faden wieder auf und nahtlos daran anknüpfend: »Der Haxer führt etwas im Schilde. Aber was? Und der Zwicker auch. Aber was es auch immer ist, Herr Kranich, ich werde es erfahren. Ach, Kranich, was glauben Sie: Wenn uns jetzt jemand hier mit seinem Handy fotografieren würde, dann wären wir morgen in der Bild-Zeitung ein Liebespaar.« Kranich sagte nichts, was sie provozierte. »Oder halten Sie das für eine abwegige Idee, Herr Kranich?«
    Sie war schlecht drauf. Sie versuchte ihre Unruhe zu verbergen, und Kranich wusste nicht, was sie bewegte. Aber er hielt sich an die Abmachung und schwieg, bis sie einen Zeitungsartikel aus ihrer Tasche kramte.
    »Ich möchte Ihnen etwas vorlesen, Herr Kranich, und es ist nicht von Klabund: ›Wenn es um die Sache geht, darf es keine wohligeHarmonie geben. Es wird viel zu viel geheim gehalten. Oft nur um Unkorrektheiten und Unsauberkeiten zuzudecken und Diskussionen zu verhindern.‹ Wissen Sie, wer das gesagt hat?«
    Kranich wusste es nicht.
    »Dann lese ich Ihnen von dieser Person – einem Politiker, diesen Hinweis gebe ich Ihnen, Herr Kranich – noch ein anderes Zitat vor: ›Ich wollte das Land verbessern und nicht auf Kosten der Sache Freunde sammeln. Hätte ich alles getan, um im Amt zu bleiben, hätte ich besser nichts getan. Das war aber nicht mein Ziel.‹«
    »Von Schröder kann das nicht sein, obwohl er letztlich alles dafür getan hat, um nicht länger im Amt bleiben zu können.«
    »Reden Sie mir Schröder nicht schlecht, Kranich. Er ist ein Lausbub, und ich mag Lausbuben. Und er weiss, dass ich ein lausiges Mädchen bin, und ich weiss, dass ihm das sehr gefällt. Die beiden Zitate stammen von einem Schweizer Bundesrat.«
    Kranich überlegte. »Von Diller, dem Bundespräsidenten?«
    »Falsch.«
    »Fabio Coradi, der Verkehrsminister?«
    »Falsch. Blocher hat das gesagt.«
    »Er ist nicht mehr Bundesrat.«
    »Aber er war Bundesrat, und es gibt auch in Deutschland einige, die nicht mehr sind, was sie einmal waren, und trotzdem immer noch wichtig sind. Und Blocher sagt, dass er Opfer einer politischen Verschwörung wurde. Und zu den Verschwörern zählt er immerhin die Bundesanwaltschaft, Mitglieder des Bundesrates, Parlamentarier und die Geschäftsprüfungskommission. Herr Kranich, und so etwas passiert in der korrekten Schweiz?«
    »Die Schweiz ist nicht korrekt. Kein Staat ist korrekt, es gibt keine korrekte Politik«, sagte Kranich und sah das erstaunte Gesicht der Kanzlerin.
    »So direkt auf einmal? Sie können auch Klartext reden, und das, obwohl Sie ganz offensichtlich nicht zugedröhnt, sondernnüchtern sind? Ein kluger Mann, dieser Blocher, hat Ähnlichkeiten mit unserem Kiki Ritz. Der spielt auch den bösen Mann, obwohl ganz andere die bösen Spiele spielen.« Die Kanzlerin hatte sich jetzt warm geredet. »Was mir in diesem Interview aber gar nicht gefällt, ist Blochers Meinung zur Schweizer Armee. Die doch ein so hohes Ansehen hat. Blocher sagt, die Schweizer Armee sei in einem schlechten Zustand, führungslos und konzeptionslos.«
    Was wollte sie ihm sagen?
    »Was ich darum beunruhigend finde, Herr Kranich, weil es wohl die Schweizer Armee sein wird, die den Luftraum zu überwachen hat, wenn wir unseren Säntisausflug machen. Ich hoffe, die Piloten suchen uns nicht am Matterhorn. Übrigens: Man könnte sich in diesem Park auch verirren, Herr Kranich. Und mittlerweile ist sogar das Volk zu uns gestossen. Kehren wir um.«
    Sie näherten sich dem Parkausgang, wo der Chauffeur wartete. Er stand vor der Limousine und rauchte eine Zigarette.
    Die Kanzlerin

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