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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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sagte die perfekt proportionierte Dame am Schalter.
    »Ich rufe Sie an«, hatte Jodler gesagt.
    Jetzt stand er im Erdgeschoss eines Apartmenthauses, das ideal gelegen war. Wenige Hundert Meter nur vom St. Galler Hauptbahnhof entfernt, in einem Industrieviertel ohne Industrie, mit verlassen wirkenden Gebäuden in der Umgebung, die er vorher ausgekundschaftet hatte.
    Die Tellstrasse lag direkt hinter den Geleisen, und wenn Jodler ein Mann gewesen wäre, der lächelte, wenn ihm danach zumute war, dann hätte er jetzt gelächelt. Tellstrasse.
    Er schloss die Wohnungstür auf. Das Apartmenthaus war neu, und die Dame hatte ihm gratuliert: »Sie sind der erste Mieter, Herr Hodler, und darum gewähre ich Ihnen im ersten Monat eine Zinsreduktion von 20 Prozent.«
    Eine Vierzimmerwohnung. Drei Käfigräume, ein grosser Raum, Küche, Bad mit Dusche. Rollläden.
    Jodler stellte seinen Koffer in einen Käfigraum und packte sein Notebook aus. Und las durch, was auf seinem Merkzettel stand: Höhenmesser kaufen. Rote Farbe. Werkzeuge. Spezialkitt. Materialien für Explosivkörper und Zündmechanismus. Eventagenturen anrufen, Metzgereien recherchieren, Schlauch und Stahlrohr kaufen, Auto mieten.
    E-Mail an Cookie: »Bin vor Ort. Gute Bedingungen. Tellstrasse, leeres Apartmenthaus. Parterrewohnung. Soll ich für Clara die Spitäler checken?«
    Dann machte Jodler sein IKEA-Gesicht und rief die wohlproportionierte Dame an: »Hodler hier. Wunderbare Wohnung. Haben Sie vielleicht schon heute Zeit? So gegen 18 Uhr?«
    Sie sagte sofort ja, und Jodler war zufrieden. Er brauchte Triebabfuhr, und die Dame schien ihm geeignet. Dann schaute er sich noch einmal in der Wohnung um. Gut, dass es ein Küchenfenster gab. Und alle Türen abschliessbar.
    Googeln. Carbagas AG in Gümligen, Kanton Bern. Aber mit einer Niederlassung in Rümlang, Kanton Zürich, also eine Autostunde von St. Gallen entfernt nur. Es wäre der direkteste Weg: eine Flasche Kohlenmonoxid direkt beim Gashersteller bestellen. Man würde Fragen stellen. Verwendungszweck? Googeln. Die Carbagas AG beliefert Chemiekonzerne, Ciba, Novartis, und Laboratorien. Und die metallverarbeitende Industrie. Jodler googelte mit den Stichwörtern CO und Verwendung. Schlauer wurde er nicht. CO-Flaschen sind unmissverständlich gekennzeichnet: Totenkopf mit zwei durchgestrichenen Knochen. Theoretisch selberherstellbar, aber das hatte Anarchisterix kategorisch ausgeschlossen: Die Zeit war zu knapp.
    Also googeln. Metzgereien arbeiten mit CO 2 . Betrieb von Kühlanlagen, also würden sich da auch CO 2 -Behälter finden. CO 2 wäre eine Notlösung, aber machbar, hatte Anarchisterix gesagt.
    Metzgereien in St. Gallen. Zehn Einträge. Metzgerei Locher, Linsebühlstrasse. Metzgerei Gemperli, bekannt angeblich bei allen Touristen, 2002 »Botschafterin für Fleisch und Wurst an den Olympischen Spielen in Salt Lake City«. Metzgerei Schmid, bekannt für St. Galler Bratwurst, zwei Geschäfte: St.-Jakob-Strasse, Zürcher Strasse. Metzgerei Max Schalch, ebenfalls Zürcher Strasse. Stadtplan von St. Gallen googeln.
    Dann nahm Jodler sein Navigerät, schloss die Wohnungstür ab, ging zu Fuss zum Bahnhof, stieg in ein Taxi und liess sich zur Zürcher Strasse fahren. »Es gibt dort eine Metzgerei«, sagte er, »in der ich einmal die beste Wurst meines Lebens gekauft habe.«
    »Schmid?«, fragte der Fahrer und fuhr los.

» V erehrte Frau Kanzlerin, ich habe Angst. Wenn ich rede, werde ich meinen anonymen Status verlieren, dann meine Arbeit und dann meine Freiheit. Wenn ich aber schweige, sind Sie in Lebensgefahr. So oder so: Ich habe Angst. Bitte kooperieren Sie mit mir. Grüsse, Mozart.«
    Mozart wartete drei Stunden. Dann löschte er sämtliche Daten auf dem Handy, nahm den Akku heraus, holte einen Hammer und zertrümmerte das Handy. Später spazierte er an der Spree, setzte sich an den Sandstrand vor dem Reichstagsgebäude, und die Sonne machte ihn träge. So träge, dass sich auch seine Gedanken wieder beruhigten.
    Diese dumme, arrogante Kuh. Gab ihm nicht einmal eine Antwort. Verpasste ihre letzte Chance. Er hatte alles versucht. Erbrauchte kein schlechtes Gewissen zu haben. Und das war doch das, was alle Frauen wollten: dass ein Mann ein schlechtes Gewissen hat. Habe ich aber nicht, dachte Mozart noch einmal und suchte seine Sonnenbrille. Später versenkte er den Akku und die Handyteile in der Spree.

» S ilikon-Susi, ich möchte, dass du heute in die Disco Kassandra gehst.«
    »Ich dachte, Vögeln ist

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