Die Kanzlerin - Roman
unverschlüsselt im Netz, dass es für einen alten Geheimdienstler fast schon beleidigend ist, sich auf ein solches Niveau drücken zu lassen. Es spricht alles dafür, dass wir es mit Amateuren zu tun haben, die sich für sehr viel klüger halten, als sie sind.«
»Da kann ich ja froh sein, dass ich von lauter Leuten umgeben bin, die sehr viel klüger sind, als manche denken. Was ich jetzt aber nicht missverstanden haben möchte. Meine Herren, ich danke für das anregende Gespräch, wünsche noch einen schönen Tag und allen ein langes Leben.«
20.00
»An Cookie & Co: Weil es sich bei der Säntisreise der Kanzlerin nicht um einen offiziellen Staatsbesuch handelt, treffen die Schweizer Behörden vergleichsweise bescheidene Sicherheitsvorkehrungen. Die deutsche Seite drängt deshalb auf eine verstärkte Beteiligung, wird sich aber pro forma dem Sonderstab unterordnen müssen, den der schweizerische Bundesrat bestimmt hat. Man kann darum voraussetzen, dass sowohl das Bundeskriminalamt als auch der Bundesnachrichtendienst verdeckt arbeitendeAgenten in die Schweiz einschleusen. Erfahrungsgemäss werden alle potentiellen Angriffsziele von den Diensten einen Tag vor einem Ereignis überprüft, Feuerlöscher im Übrigen so routinemässig wie Gullydeckel. Für uns heisst das, dass der Austausch des Feuerlöschers in der Talstation der Säntisbahn auf der Schwägalp in der Nacht vom 13. auf den 14. August erfolgen muss. In Kürze mehr, Tricolor.«
Die Stimmung im Wohnzimmer war angespannt. Anarchisterix, Clara und Jodler stellten Berechnungen an, die so kompliziert waren, dass Jodler plötzlich fragte: »Braucht es das Lachgas unbedingt? Falls ja, braucht es zwei Druckkammern, was verdammt schwierig ist und das ganze Unternehmen riskanter macht als nötig?«
»Lautlos fliesst das Kohlenmonoxid nicht aus«, sagte Anarchisterix, »das ist nicht machbar, auch wenn wir feinste Düsen einsetzen. Und es sitzen keine Idioten in der Gondel. Wenn die alle putzmunter sind, und jemand hört ein Zischen, dann schlägt die Kanzlerin eine Scheibe ein. Die Frau ist Physikerin.«
»Lachgas euphorisiert«, sagte Clara. »Sie werden emotionaler sein, ein bisschen vernebelt und verlangsamt. Sie werden sich so gut fühlen, dass niemand auf böse Gedanken kommt. Sie werden beschwingt sein und das Zischen auch darum nicht hören, weil – eine Info von Cookie – die Säntisgruppe für die Fahrt eine Appenzeller Band engagiert hat, mit einem Hackbrettspieler. So ist das in der Schweiz: Da wird gejodelt und gejauchzt.«
»Verdammte Scheisse«, sagte Jodler und glich Daten verschiedener Ventile ab.
»Ach übrigens«, sagte Clara, »wir brauchen bei der Säntisbahn nicht einzubrechen, um den Feuerlöscher auszutauschen.«
»Sondern?«, fragte Jodler.
»Sondern jemand von uns lässt sich von der Cateringfirma Einhorn engagieren. Weil diese Firma die Kanzlerin & Co inluftiger Höh mit Speis und Trank versorgen wird. Hat Tricolor recherchiert. Und die richten das festliche Buffet in der Nacht auf den 14. August ein. Und« – Clara zeigte auf ein Stelleninserat im St. Galler Tagblatt – »die suchen Personal. Wir haben Glück.«
»Fünf Minuten«, sagte Jodler, »mehr brauch ich nicht, um den Behälter auszutauschen.«
»Ich mach das«, sagte Tricolor. »Ecstasy und ich werden uns morgen bei Einhorn vorstellen. Und wir werden einen guten Eindruck machen.«
»Apropos, Ecstasy«, sagte Jodler. »Die nächsten Tage werden stressig. Wir alle müssen Druck abbauen, um voll bei der Sache zu sein. Wir brauchen höchste Konzentration, was uns Männern nur möglich ist, wenn wir uns gelegentlich eine kleine Triebabfuhr gönnen. Ich rede nicht für mich, ich werde, wenn ich will, anderswo bedient.«
»Und ich bin das Nuttchen hier, für die armen Getriebenen?« Ecstasy war sauer.
»Du bist unsere gute Seele, hab ich dir doch gesagt, Ex-Stasi.« Clara streichelte ihren Kopf. »Und eine gute Seele hat immer auch ein Samariterherz. Du kannst Druck wegnehmen, Ecstasy, und Tricolor hast du ja schon etwas helfen dürfen.« Ein reizendes Persönchen, dachte Clara und schaute in die Runde.
Anarchisterix gab sich unbeteiligt, Hardcore schaute schamlos auf Ecstasys Brüste, und Tricolor sagte: »Bis 22 Uhr ist das erledigt. Wir haben viel zu tun, wir brauchen Schlaf. Wer fertig ist, wechselt die Bettwäsche. Jeder hat dreissig Minuten. Hardcore macht den Anfang.«
Clara tätschelte Ecstasy den Po. »Ich kenne Hardcore. Er ist ein Softie. Hast du
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