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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Maxime gibt. Und die lautet: Bei den gewaltsamen Erstickungen ist der Nachweis der erstickenden Ursache, also des ›Tatwerkzeuges‹, entscheidender als der Nachweis der Erstickung als solcher.«
    »Und?«, fragte Schwarzer.
    »Und wir haben hier einen Toten, der erstickt ist, weil er sich vermutlich die Luft freiwillig hat nehmen lassen, es also vermutlich kein Tatwerkzeug gibt.«
    »Verdammt noch mal, die Gerichtsmedizin kann doch sagen, ob da jemand einem Opfer mit Brachialgewalt eine Folie aufs Gesicht gedrückt hat oder …«
    »Oder was, Herr Polizist? Wenn dem Toten die Nase gebrochen wurde oder das Jochbein, dann wäre das vielleicht ein Ansatzpunkt für Sie. Aber im Übrigen gibt es auch für erregte Männer eine Maxime: Wird ein bestimmter Punkt überschritten, agieren sie, testosterongefüllt, besinnungslos. Zwei besinnungslos geile Schwule, das ist das Wahrscheinlichste. Wollen Sie aber andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, dann sind Sie die nächsten Monate beschäftigt.«
    »Bevor ich etwas beweisen will«, sagte Schwarzer, »muss ich etwas wissen.« Er ging ins Arbeitszimmer, klemmte sich das Notebook unter den Arm und sagte: »Melde mich. Und sollten Sie oder die Spurensicherung ein weibliches Haar finden, beispielsweise, dann reden wir bei dieser Gelegenheit über die Kräfte entfesselter weiblicher Sexualität.«
    »Ich erkenne Schwule auf den ersten Blick«, sagte Dr. Schöni, »Sie nicht auch?«
    »Wissen Sie übrigens, warum unsere Leiche derart aufgedunsen ist und es beim Ersticken zu solchen Blutungen kommt?«
    »War eine meiner Examensfragen«, sagte sie. »Ich sagte: ›Sind solche petechialen Blutungen nicht Zeichen einer venösen Stauung?‹«
    »Die Antwort war falsch«, sagte Schwarzer.
    »Der Professor sagte: ›Nicht jeder Stau auf der Autobahn hat eine klare Ursache. Es gibt auch Staus ohne grosses Verkehrsaufkommen. Und so ist das manchmal auch mit rotgepunkteten undangeschwollenen Gesichtern von Leichen. Nicht jedes Rotkäppchen wurde erwürgt oder stranguliert.‹«
    »Mit Märchen kenne ich mich nicht aus«, sagte Schwarzer, aber Frau Dr. Schöni wollte ihr Examen wiederholen: »Aufgedunsener Kopf und Pünktchen-und-Anton-Blutungen entstehen auch dann, wenn die nichtventilierten Lungenabschnitte durch den Euler-Liljestrand-Mechanismus weniger durchblutet wurden. Wenn die Atemwege komplett und dauerhaft dicht sind, dann gibt es einen pulmonalen Hypertonus mit Rückstau.«
    »Ich trage prinzipiell keine Halstücher«, sagte Schwarzer.
    »Sie haben, und das offenbar prinzipiell, gar nichts verstehen wollen«, sagte die Gerichtsmedizinerin, und Schwarzer hatte den Eindruck, dass sie etwas suchte. »Ich dachte, da war ein Frauenhaar«, sagte sie, »aber es ist ein Katzenhaar. Schwule lieben Katzen.«
    »Ich auch«, sagte Schwarzer.
    »Ich glaube, Sie sind ein ganz normaler Kater«, sagte Frau Dr. Schöni. »Besuchen Sie mich doch in der Gerichtsmedizin. Dann zeige ich Ihnen die blutleere Milz des zu Tode erregten Herrn. Und erkläre Ihnen bei dieser Gelegenheit vielleicht auch den Unterschied zwischen äusserem und innerem Erstickungstod.«
    »Und wer erstickt innerlich?«, fragte Schwarzer.
    »Wer in seiner Wohnung ein Lagerfeuer macht, zum Beispiel, oder in der Garage sein neues Auto mit laufendem Motor zu lange bewundert, Herr Schwarzer. Kohlenmonoxid.«
    »Ich glaube«, sagte Schwarzer, »das ist eher mein Ding.«

T ricolor war schon etwas erstaunt, dass Anarchisterix vor dem Hauseingang auf sie wartete, winkte, als sie aus dem Auto stiegen, auf sie zustürmte, ihn umarmte und Ecstasy sogar einen Kuss aufdie Lippen drückte. Anarchisterix’ Brille sass schief, er lachte und hatte einen rötlichen Schimmer auf seiner sonst kreidebleichen Haut. »Kommt mit«, sagte er aufgeregt und wollte mit seinem Schlüssel die Wohnungstür öffnen, die er allerdings vergessen hatte zu schliessen. »Hereinspaziert«, sagte er fröhlich, schwenkte seine Arme hin und her und schrieb mit seinen Klavierspielerfingern Formeln in die Luft. »−205 °C Schmelzpunkt, −192 °C Siedepunkt, −140 °C kritische Temperatur, Explosionsgrenze: 12,5 bis 74 Volumenprozent in der Luft«, murmelte er und küsste Ecstasy noch einmal auf den Mund.
    Auf dem Küchentisch standen zwei Alu-Einliterflaschen, und Anarchisterix schrie: »Nicht berühren!«, als Ecstasy eine der Flaschen in die Hand nehmen wollte. »Obwohl«, sagte Anarchisterix, »passieren kann nichts, noch nicht«, fügte er hinzu, und

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