Die Kanzlerin - Roman
Kanzlerin.«
»Hallo, Controller, lange nichts von dir gehört. Vermisst du deine Silikon-Susi nicht?«
Bevor sich Loderer eine passende Antwort überlegen konnte, blinkte seine E-Mail-Anzeige. »Lieber Filip, bin eben erst aufgestanden und noch immer unter dem Eindruck von all dem, was geschehen ist. Geht es dir gut?«
»Es geht mir gar nicht gut«, schrieb Loderer, »nichts ist gut, gar nichts ist gut, und das weisst du auch. Du hast mich verraten.«
»Hey, Controller, hast du mich vergessen? Warte auf dein Lebenszeichen. Silikon-Susi.«
»Hallo, Susi. Wo ich war, weisst du. Und warum, auch. Schluss mit den Spielchen. Die Sache ist gelaufen. Wenn du mich auffliegen lassen willst, dann mach das. Aber schnell. Sonst werde ich selber aktiv und zeige die ganze Saubande an.«
»Aber, Controller, warum so gereizt? War es nicht gut mit deiner Jenny? Bist du nicht auf deine Kosten gekommen? Und warum sollte ich dich auffliegen lassen? Fliegen ist schöner. Meld dich, wenn dir danach ist. SS.«
»Filip, es war gut mit dir. Aber von deinen Problemen weiss ich nichts. Ich habe mit dieser Gruppe nichts zu tun, von der du erzählt hast. Und es macht mich traurig, dass du mich offenbar in Verbindung bringst mit Leuten, die etwas mit diesem scheusslichen Verbrechen zu tun haben.«
»Du hast gewusst, dass ich ein Redenschreiber bin, Saufrau Male.«
»Ich war neugierig, Filip. Ich habe vor unserem Treffen gegoogelt. Ich wusste, dass du schreibst und etwas mit Politik zu tun hast, aber kein Journalist bist. Also habe ich stundenlang Behördennamen gecheckt. Bis ich auf der Website des Bundespresseamtes auf deinen Namen gestossen bin.«
»Du hast gewusst, dass ich die Rede für den Innenminister schreiben muss.«
»Es war erraten, Filip, glaub mir.«
Loderer glaubte gar nichts. »Silikon-Susi, wenn du mich geil machen willst, dann sag mir jetzt die Wahrheit. Das wäre für mich das Geilste. Wie lange kennst du Frau Male schon?«
»Lieber Controller, ich kenne Frau Male, seit ich gelesen habe, wie du auf sie abgefahren bist.«
»Du hast sie vorher schon gekannt, Susi. Sie wusste Dinge über mich, die sie nicht wissen konnte. Es sei denn, sie gehört zur Gruppe.«
»Zu welcher Gruppe, Controller?«
»Zu deiner Gruppe. Cookie & Co und Silikon-Susi & Co. Ihr habt mich erpresst.«
»Controller, das war doch nur ein Spiel.«
»Und der Terroranschlag auf dem Säntis?« Loderer war so erregt, dass er zwei Kugelschreiber zerstörte. »25 Menschen sind gestorben.«
»Willst du mich treffen, Controller? Willst du mit mir über alles reden? Willst du die Wahrheit erfahren?«
»Nein.« Loderer tippte sein »Nein«, bevor er überhaupt nachgedacht hatte.
»Melde mich wieder. Erhol dich, Controller. Von deiner Frau Male.«
»Filip, bist du noch da? Warum schweigst du plötzlich?«
»Jenny, du kennst Susi.«
»Ich kenne mehrere Susis, Filip.«
»Silikon-Susi.«
»Ich kenne auch zwei Susen, die viel Holz vor der Hütte haben. Aber keine, die das zum Vornamen gemacht hat.«
»Die Nachricht von Eisele konntest du nicht lesen. Weil ich mein Handy immer bei mir hatte. Auch, als ich zur Toilette ging. Du lügst mich an.«
»Wir haben alle ein Schicksal, Filip, und in ein Schicksal muss man sich schicken. Du – und ich auch. Lass uns nicht kaputtmachen, was so wunderschön war.«
Loderer loggte sich aus, machte den Fernseher an und las Zeitungen. Er hatte keine Chance. Er hatte Angst. Und er musste bei der Kanzlerin vorsprechen.
A ls die Nachricht vom Leichenfund in einer Wohnung nahe dem Hauptbahnhof bei den St. Galler Rechtsmedizinern einging, forderten sie umgehend die Mithilfe ihrer Kollegen vom Institutfür Rechtsmedizin der Universität Zürich an. Stunden zuvor war eine weibliche Person in einem anderen Stadtteil tot aufgefunden worden. Die Mitarbeiterin einer Versicherungsgesellschaft, die Wohnungen vermietete und an ihrem Arbeitsort vermisst wurde. Die Kripo vor Ort vermutete Fremdverschulden und fand auf der Festplatte ihres Computers eine Art Tagebuch, in der die Verstorbene über eine Begegnung mit einem geheimnisvollen Deutschen berichtete, dem sie eine Wohnung vermietet hatte und mit dem sie in der Folge intim war. Daraufhin durchforstete die Kripo die Vermittlungsunterlagen der Toten und stiess dabei auf die St. Galler Wohnung, in der Gerichtsmedizinerin Sonja Bischoff und ihre Mitarbeiter die Leichenschau durchführten. Auch Mitarbeiter des Labors Spiez waren vor Ort, deutsche Kriminalbeamte und neben der
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