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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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eine Straftat ist, ist Ihnen doch sicher bekannt, obwohl Ihre juristischen Kenntnisse gelinde gesagt unter aller Sau sind.“
    Wagner, bereits im Weggehen begriffen, blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Natürlich weiß ich das. Ich frage mich allerdings, ob Sie für sich die gleichen Maßstäbe anlegen oder den Bereich der Legalität nicht längst verlassen haben!“ Ohne ein weiteres Wort verließ er ihr Büro.
    Im Vorzimmer maß die Stigler ihn mit großen Augen, sagte aber nichts. Auf dem Weg in sein Büro sinnierte Wagner darüber nach, ob er sich als Sieger oder Verlierer fühlen sollte. Vermutlich liegt die Wahrheit in der Mitte, beschloss er im Stillen. Zurück in seinem Büro wählte er eine Nummer. Am anderen Ende wurde sofort abgenommen.

55
M AZARA DEL V ALLO AUF S IZILIEN
    Sizilien zeigte sich an diesem Frühlingsmorgen von seiner schönsten Seite. Eine Bilderbuchkulisse mit türkisfarbenem Meer und strahlend blauem Himmel empfingen Taban und seine Begleiter, als ihr Boot gegen sieben Uhr morgens im malerischen Hafen von Mazara del Vallo einlief. Taban war aufgeregt, Umar hingegen ungewohnt still. Auch der arrogante Tunesier ließ sich keine Emotionen anmerken. Für Taban unverständlich, hatten sie doch endlich das ersehnte Europa erreicht.
    Im Hafen herrschte geschäftiges Treiben. Bunt bemalte Kutterschiffe brachten den ersten Fischfang des Tages, Händler bauten ihre Marktstände auf und einige Frühaufsteher unter den Touristen hatten sich vor Ausflugsbooten eingefunden.
    Der Gutgekleidete forderte sie in harschem Ton auf, in der Kajüte zu bleiben, während er sich um die Weiterfahrt kümmern wolle. Der Wortkarge blieb zurück an Bord. Es war stickig und Taban sehnte sich nach frischer Luft. Umar flüsterte Taban ins Ohr: „Wenn du mich fragst, gehören die beiden zur Mafia und wollen uns in einer ihrer Baufirmen schuften lassen.“ Er achtete darauf, dass der Tunesier nichts verstehen konnte. „Der Kerl kommt sich als was Besseres vor, halt dich fern von ihm“, fügte Umar leise hinzu.
    „Komm, wir vertreten uns an Deck die Beine“, sagte er und stieg vor Taban die schmale Fußleiter hinauf. Der Mürrische, der an Deck stand und eine Zigarette rauchte, hielt sie auf. „Stop! Not go away! Stay in cabin!“, herrschte er sie an. „Nicht einmal Englisch kann er“, mokierte sich Umar und erging sich erneut in düsteren Betrachtungen über die Mafia, die Flüchtlinge wie sie rigoros ausbeutete.
    Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, als der Gutgekleidete zurückkam und die Flüchtlinge aufforderte, ihm zu folgen. Mit ausladenden Schritten ging er voran, der Mundfaule blieb an Bord. Ein Uniformierter schlenderte an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Nach wenigen Minuten erreichte die Gruppe einen Parkplatz, auf dem ein VW-Transporter auf sie wartete. Hinter dem Steuer saß ein junger Mann, der sofort mit dem Italiener ein Gespräch begann.
    „Ein deutsches Kennzeichen“, flüsterte Umar. „Es geht tatsächlich nach Deutschland. Wer weiß, was dort auf uns wartet.“ Glücklich sah er nicht aus. „Vermutlich bringen sie uns zunächst nach Palermo und von dort geht es mit der Fähre nach Neapel und weiter Richtung Norden“, mutmaßte er.
    Taban konnte mit den Städtenamen nichts anfangen. Sie interessierten ihn auch nicht. Hauptsache, es ging weiter nach Deutschland. Umar sollte recht behalten, sie steuerten den Hafen von Palermo an. Vor der Autofähre stand eine lange Schlange. Der Italiener redete auf den Fahrer ein, der daraufhin plötzlich ausscherte, um sich ungeachtet des wütenden Hupens der anderen Fahrer an den wartenden Fahrzeugen vorbeizudrängeln. Der Kontrolleur an der Schranke schaute kurz durchs Fahrerfenster, dann nickte er und winkte sie durch. „Scheiße, sie gehören tatsächlich zur Mafia. Das sind keine gewöhnlichen Schlepper, die Flüchtlinge transportieren, die sind was Besseres“, flüsterte Umar ihm ins Ohr. „Sobald sich eine Gelegenheit ergibt, hauen wir ab.“
    Taban wollte nicht abhauen. Die Männer hatten gesagt, dass sie sie nach Deutschland bringen würden. Außerdem hatten sie keine Papiere mehr, der Italiener hatte sie ihnen abgenommen. Im Hafen von Neapel herrschte ein noch dichteres Treiben als in Palermo. Bei der Einfahrt bewunderte Taban die bunt bemalten, eng aneinandergepressten Häuser der Altstadt. Aus der Ferne sahen sie wie Spielzeuge aus. Durch die engen Gassen der dicht bebauten Stadt erreichten sie schließlich

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