Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
konnte nicht umhin, insgeheim ihre Coolness zu bewundern. „Pietro hat mir auch von den Fotos erzählt, die ein Privatdetektiv im Auftrag von Tobias Wächter heimlich gemacht hat. Er sprach von wilden Sexspielen. Und jetzt frage ich mich, ob der Tod von Tobias mit dem Auftrag zu tun hatte.“
Ihre Augen blitzten vor unterdrückter Wut. Für einen kurzen Augenblick glaubte Wagner, dass sie aufspringen und ihn attackieren würde. Sie tat es nicht. „Ihr Verdacht ist lächerlich, Herr Wagner. Sie sollten sich mal sehen, wie Sie vor mir sitzen. Ein dicklicher, aufgeblasener Gockel, der von seiner Frau verlassen wurde und vermutlich sexuell frustriert ist. Sind Sie neidisch, weil ich anders bin als Sie? Nicht so verklemmt und langweilig!“
Wagner schluckte die Beleidigung hinunter. Dieses Mal lasse ich mich nicht wie einen dummen Jungen abkanzeln, nahm er sich vor. Er erwiderte ihren eisigen Blick. Es mochte eine Minute vergangen sein, für ihn eine gefühlte Stunde, bis sie genervt aufgab und ihre Augen senkte. Auf einmal wirkte sie unsicher. „Wir sollten wie vernünftige Erwachsene miteinander umgehen.“
Wagner ignorierte ihr Friedensangebot, er kannte sie zu gut, um es ernst zu nehmen. „Es geht nicht um mein Sexualleben. Es interessiert mich auch nicht die Bohne, mit wem Sie sich im Bett vergnügen. Mich interessiert, wer Tobias Wächter ermordet hat.“
Er sah ihr an, dass sie ihm eine weitere Unfreundlichkeit an den Kopf werfen wollte, sich dann aber besann. Ihr Lächeln wirkte verkrampft. „Ich weiß wirklich nicht, was das soll, Herr Wagner. Was ist nur in Sie gefahren? Sie verdächtigen mich doch nicht allen Ernstes, etwas mit der Ermordung unseres Fraktionskollegen zu tun zu haben?“
Doch, genau das tue ich, dachte Wagner. „Na ja, merkwürdig ist es schon. Er lässt Sie bespitzeln und wird kurz darauf erstochen. Ein eigenartiger Zufall, finden Sie nicht?“
„Es gibt zwei Mordfälle, haben Sie das schon vergessen? Auch wenn Sie in letzter Zeit gesundheitliche Probleme haben, werden Sie nicht an Demenz erkrankt sein, oder?“
Verdammt, dachte Wagner. Wie hatte sie von seinen gesundheitlichen Problemen erfahren? Immer noch lächelnd fuhr sie fort. „Weshalb sollte ich ausgerechnet unseren wichtigsten Sponsor ermorden? Das ist doch lächerlich. Sie machen sich zum kompletten Idioten!“
„Baumgart war sehr gut vernetzt, auch in der Politik, und Wächter war sein Lobbyist. Vielleicht hat sich jemand an diesen Geschäften gestört, jemand, dem die Baumgart-Connection ein Dorn im Auge war, weil sie zu viel wusste oder weil sie zu mächtig geworden war.“
Marion Klaßen tippte sich an die Stirn. „Und ich soll damit zu tun haben? Also ehrlich, Herr Wagner. Ich sehe Ihnen Ihre Unverschämtheiten nach, weil mir nicht verborgen geblieben ist, wie angespannt Ihre Nerven seit einigen Tagen sind. Herr Kollege Römermann hat mich auch schon darauf angesprochen. Und nicht nur er, auch andere aus der Fraktion. Sie sollten auf sich aufpassen, sonst heißt es womöglich, dass Sie überfordert und Ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen sind.“
Die Drohung war unmissverständlich. Falls er mit seinen Vermutungen hausieren ging, würde sie alles daransetzen, um ihn als Fall für die Klapsmühle hinzustellen. Obendrein würde sie die eine oder andere Unregelmäßigkeit Albis aufs Tapet bringen und behaupten, Wagner sei mit all dem nicht fertiggeworden.
Vielleicht war die Unterredung ein taktischer Fehler gewesen. Dass sie nichts zugeben würde, hätte ihm von Anfang an klar sein müssen. Eine Frau wie sie gab niemals klein bei. Solange es nicht bewiesen war, würde sie nichts zugeben. Und dennoch war er zufrieden mit sich. Erstmals hatte er Marion Klaßen demonstriert, dass er sein Herz nicht in der Hose trug. Während er sich erhob, musste er noch einen Trumpf ausspielen: „Übrigens, Pietro hat mir auch erzählt, dass Sie meine Festplatte regelmäßig checken lassen und meine Mails lesen. Ich glaube kaum, dass Pietros Fantasie ausreicht, um sich so etwas auszudenken.“
Auf ihrem Gesicht lag jetzt blanke Wut. Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und mit Zornesfalten auf der Stirn blaffte sie ihn an: „Vergessen Sie endlich den Kerl! Er hat gelogen. Vermutlich reißt er in Palermo Witze über den dicklichen, gutgläubigen Abgeordneten aus Niedersachsen, dem er einen Bären aufgebunden hat. Falls Sie vorhaben sollten, den Unsinn weiterzuverbreiten, ist das übelster Rufmord. Dass Verleumdung
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