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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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eine vierspurige Autostraße.
    Beim Anblick der teuer aussehenden Autos, die an ihnen vorbeirasten, fielen Taban fast die Augen aus dem Kopf. Genauso hatte er sich Europa vorgestellt. Breite, saubere Straßen, teure Autos, in denen gut gekleidete, wohlgenährte Menschen saßen. Kurz vor Mailand hielten sie an einer Autobahnraststätte. Mit den Worten „Für die Benutzung der Toilette, in zehn Minuten geht es weiter!“ drückte der Italiener jedem von ihnen eine Euromünze in die Hand. Während sie vom Fahrer begleitet auf die Raststätte zugingen, flüsterte Umar: „Wir hauen durch das Toilettenfenster ab. Die führen nichts Gutes mit uns im Schilde.“
    „Nein“, flüsterte Taban zurück. „Ich will erst nach Deutschland. Dort können wir immer noch abhauen.“
    Umar schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr. Als Taban sich erleichtert hatte, wartete der düster dreinblickende Fahrer, ungeduldig mit den Füßen auf und ab wippend, auf sie. Kurz darauf kam der Tunesier aus der Toilette, nur Umar erschien nicht. Nach weiteren drei Minuten vergeblichen Wartens grunzte der Fahrer und klopfte an die Toilettentür. Als sich nichts tat, legte er sich auf den Boden und schaute durch den offenen Spalt. Lautstarkes Fluchen folgte. Draußen wartete der Gutgekleidete auf sie. Aufgeregt gestikulierend redete der Fahrer auf ihn ein, womit er einen Redeschwall bei seinem Partner hervorrief. Auch wenn Taban die Sprache nicht verstand, lag der Grund der Aufregung auf der Hand: Umar war abgehauen. Aufgeregte Telefonate des Italieners folgten. Noch nie zuvor hatte Taban jemanden so schnell reden hören. Er hätte gerne verstanden, worüber der Italiener redete, und nahm sich vor, in Deutschland die Sprache zu erlernen. Jetzt, wo er Europa erreicht hatte, war sein Heimweh verschwunden. Er fühlte sich voller Tatendrang. In Gedanken malte er sich aus, was seine Mutter und seine Schwestern von dem Geld, das er ihnen schon bald überweisen würde, kaufen könnten. Und in einigen Jahren, wenn er genug verdient hatte, würde er in seine Heimat reisen und mit Großonkel Ali verhandeln, um Fatima freizukaufen. Aber vielleicht hatte seine kleine Schwester Glück und der Großonkel war bis dahin gestorben.
    Auf der Fahrt nach Deutschland schlief Taban ein. Mitten in der Nacht erreichten sie die Grenze, er bemerkte es nicht einmal. Erst kurz vor Kassel wachte er auf. Der Gutgekleidete drehte sich zu den beiden Flüchtlingen um. „Germania“, teilte er ihnen mit. Taban war sofort hellwach. Sein Herz klopfte heftig vor freudiger Erregung. Er hatte es geschafft!

56
H ANNOVER , L ANDESKRIMINALAMT
    Was war bloß mit ihrer Assistentin los? Petra Schramm wirkte ungewohnt aufgelöst, ihre Augen waren gerötet, das Make-up verwischt und die Haare wuschelig.
    „Ich muss mit Ihnen sprechen, Chefin.“
    Obwohl Verena sich gestört fühlte, widmete sie ihre Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiterin. „Geht es um Heidkamp? Habt ihr ihn endlich ausfindig gemacht?“
    Ihre Assistentin schüttelte den Kopf. „Der ist wie vom Erdboden verschwunden. Pieper hat vermutlich recht und er hat sich irgendwo niedergelassen, wo es schön warm ist.“ Unaufgefordert setzte sie sich auf den Stuhl vor Verenas Schreibtisch.
    „Worum geht es dann?“, erkundigte sich Verena. Die Antwort überraschte sie.
    „Um Kriminalrat Hetzel. Er intrigiert gegen Sie.“
    Das Liebesglück ihrer Assistentin hatte offenbar ein jähes Ende gefunden. Ihr abwartender Blick veranlasste Petra Schramm zu weiteren Bekenntnissen.
    „Er ist der Meinung, dass er der bessere Ermittler sei und der Direktor ihm die Leitung der Soko übertragen solle. Mit ihm als Ermittlungsleiter wären die Morde längst aufgeklärt, hat er erst neulich zu mir gesagt.“
    Verena schob die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch beiseite. „Kollege Hetzel gibt sich wenig Mühe, seine Meinung über mich zu verbergen. Abgesehen davon sind die meisten Männer felsenfest davon überzeugt, dass sie tüchtiger sind als wir Frauen“, stellte sie fest. „Allerdings hatte ich bislang den Eindruck, dass du und er … Ich meine …“
    Ihre Mitarbeiterin fischte nach einem Taschentuch, in ihren Augen glitzerten Tränen. „Er hat mich die ganze Zeit angeschwindelt. Die angeblichen Wochenendausflüge zu seinen betagten Eltern waren eine Farce. Stattdessen hat er seine Freundin in Essen besucht. Und mir hat der Arsch was von einer Trennung vorgegaukelt. Ich hasse ihn!“
    Trösten werde ich dich ganz bestimmt nicht, nahm Verena

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