Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
das nun geklärt haben, lass uns zu den Mordfällen zurückkommen. Ich weiß einfach nicht weiter und dachte, du hättest vielleicht eine Idee. Ständig habe ich das Gefühl, etwas übersehen zu haben.“
„Das kenne ich. Es ist ein Scheißgefühl und stimmt leider meistens. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und je länger sich die Ermittlungen hinziehen, desto beschissener geht es dir. Nach allem, was ich von dir gehört habe, geht es um eine Riesennummer. Wächter war Aufsichtsratsmitglied in Baumgarts Firma. Beide wurden innerhalb einer Woche getötet. Das riecht doch förmlich nach einem schmutzigen Geschäft. Wenn du mich fragst, geht es um Geldwäsche oder um illegale Finanzmarktspekulationen. Und vermutlich ist ein Politiker beteiligt, der im Hintergrund die Fäden zieht.“
„Geldwäsche meinst du? Das haben wir bereits überprüft. Bislang sind wir nicht weitergekommen.“
„Wundert dich das? Es gibt Kriminalität in diesem Land, die bekämpft, und solche, die geduldet wird. Weil die Politik es nicht für opportun hält und lieber wegschaut. Jahrelang haben die Spatzen es von den Dächern gepfiffen: Baumgart hat im großen Stil Geld gewaschen. Zu den kriminellen Zockergeschäften an der Börse muss ich dir ja wohl nichts sagen. Das kannst du täglich in den Zeitungen lesen. Auch, dass die Verantwortlichen nicht nur ungestraft davonkommen, sondern noch mit Bonuszahlungen in Millionenhöhe belohnt werden. Vermutlich hat auch Baumgart an der Börse gezockt.“
„Mm, Zockergeschäfte? Also ich weiß nicht.“
Stolli ließ sich von ihrem Einwand nicht beirren. „Und nicht nur das, er hat Beamte in Bauämtern bestochen und großzügig Geld an Politiker verteilt, um sich die lukrativsten Grundstücke unter den Nagel zu reißen. Und Wächter war auch kein Waisenknabe. Vermutlich hat er Baumgart in all den Jahren mit Informationen aus erster Hand versorgt. Informationen, die sich als Gelddruckmaschine erwiesen haben.“
Ihr Freund redete sich in Fahrt. „Obwohl mehrfach Strafanzeigen gegen Baumgart gestellt wurden und es einige Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung gab, hat sich wie durch ein Wunder immer alles in Wohlgefallen aufgelöst. Das alte Lied. Wer im großen Stil betrügt, wird belohnt. Vorausgesetzt, es fällt genug für andere dabei ab. Politiker finden nicht nur Macht sexy, noch mehr finden sie Geld sexy. Geld zieht sie an wie Motten das Licht. Im Grunde bewundern sie Männer wie Baumgart und Co.“
„Mensch, Stolli! Ich dachte, deine Anna hätte dir deine Politikerparanoia ausgetrieben. Deine Vorurteile nerven. Auch unter den Politikern gibt es solche und solche“, sagte Verena, während sie sich einen Keks in den Mund schob.
„Warum sollte Anna das tun? In dem Punkt denkt sie wie ich. Schmutziges Kapital verdrängt sauberes und die Politik akzeptiert es, das hat sie erst neulich zu mir gesagt. Es ging um die Eltern eines Kindes in ihrem Bekanntenkreis. Die Familie konnte den Beitrag nicht mehr bezahlen. Der Vater der Kleinen musste Konkurs anmelden, weil er seine Immobilien, durch harte Arbeit verdient, nicht mehr vermieten konnte. Schmutziges Kapital braucht keine Rendite. Legales Kapital hingegen …“
„Das hast du mir schon tausendmal erzählt. Ich habe übrigens ein Attentat auf dich vor. Es betrifft die Mordfälle. Wenn Hetzel nicht so ein Kotzbrocken wäre, würde ich dich nicht damit behelligen. Du hast doch diese Woche Urlaub und Zeit?“
Ihr Freund nickte. „Schieß los, wie immer gerne zu Diensten, schöne Frau.“
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H ANNOVER , L ANDTAG
Als Wagner am Tag nach seinem Date mit Bianca Fröhlich gegen sieben Uhr morgens aufstand, war er noch immer unschlüssig, wie er mit seinem Wissen umgehen sollte. Verbündete in seiner Fraktion zu suchen, erschien ihm aussichtslos. Marion Klaßen hatte es in wenigen Wochen geschafft, aus ehemals selbstbewussten Abgeordneten Duckmäuser zu machen. Anfangs hatte der eine oder andere Abgeordnete noch den Mut aufgebracht, sich gegen die Fraktionsvorsitzende zu stellen und eine eigene Meinung zu vertreten. Bekommen war es ihnen nicht. Wer nicht parierte, wurde bestraft. Und es gab viele Möglichkeiten zur Bestrafung, wobei die Fraktionsvorsitzende besonders perfide Methoden an den Tag legte.
Der Abgeordnete Wiemers hatte sie als Erster zu spüren bekommen. Wenige Tage nachdem er die Fraktionsvorsitzende auf einer Sitzung kritisiert hatte, tauchten Gerüchte auf, dass er mit einer minderjährigen Schülerin
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