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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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zufrieden. Ich war noch nicht einmal einen Tag hier und hatte bereits ein Mitglied der russischen Community kennengelernt. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mich umzuhören. Die Russen spielten in Berlin eine weitaus wichtigere Rolle, als gemeinhin bekannt war. Die Russenmafia, die in den Neunzigerjahren eine Reihe bestialischer Hinrichtungen in der deutschen Hauptstadt begangen hatte, fühlte sich nach allem, was man hörte, in Berlin sehr wohl. Nahezu unbehelligt ging sie ihren diversen Geschäften nach. Neben Autodiebstahl, Drogen- und Frauenhandel vor allem Immobiliengeschäften und Geldwäsche. Ob Boris Milner jemals zur Russenmafia gehört hatte oder ein Einzeltäter war, war in Kreisen der russischen Community umstritten
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    Außerdem vertiefte ich im Pressearchiv der Berliner Abendzeitung und im Internet mein Wissen über Milner. Der auf drei Milliarden Euro geschätzte Unternehmer hatte in den letzten Jahren diverse Beteiligungen an norddeutschen Unternehmen erworben. Die Bandbreite reichte von Hotels über Nahrungsmittelunternehmen, Werften, Stahl- und Metallbaubetriebe bis hin zu Zulieferfirmen der Automobilbranche. Auch an einem der größten deutschen Finanzkonzerne war der Russe beteiligt. Alles sprach dafür, dass Milner sich in Deutschland ein zweites Standbein neben seinem Rohstoffkonzern in Russland geschaffen hatte
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    Drei Tage nach der ersten Begegnung suchte ich erneut Vladimir auf. Er kam gleich auf mich zu, um mich zu einem Mann namens Oleg zu schicken. Oleg betrieb eine Firma für Gebrauchtwagen in der Nähe des Bahnhofs Zoo. „Der sucht jemanden fürs Büro, An- und Verkauf von Autos. Du verstehst schon.“ Er zwinkerte und ich verstand. Eines der Geschäftsfelder der Russenmafia war die Verschiebung geklauter Autos in die ehemaligen GUS-Staaten. Oleg hatte Ärger mit dem Finanzamt, was niemanden, der etwas von Buchführung verstand, in Erstaunen versetzen dürfte. Olegs Buchführung war ein einziges Chaos. Anfänglich begegnete er mir mit Vorbehalten. Das legte sich allerdings schnell, als ich Ordnung in seinen Buchungssalat brachte und die Steuernachzahlung am Ende geringer als befürchtet ausfiel
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    Über Oleg bekam ich Kontakt zu anderen Russen. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie lieber unter sich blieben. Ich war in ihren Augen zwar ein strammer Kommunist, aber eben doch Deutscher. Auch wenn sich im Laufe der Zeit das Misstrauen legte, dauerte es sieben Monate, bis ich Milner endlich persönlich kennenlernen durfte
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    Oleg handelte nicht nur mit Autos, sondern auch mit Kunstgegenständen. Gemälde und Antiquitäten aus Deutschland waren in Russland sehr begehrt, eine Bande aus Litauen hatte sich auf Einbrüche in deutsche Villen spezialisiert. In der russischen Community sprach es sich schnell herum, wenn Oleg neue Ware bekam. Bei einem Einbruch waren englische Mahagonimöbel aus dem achtzehnten Jahrhundert gestohlen worden. Milner kam vorbei, um sich das Diebesgut anzuschauen. In seiner Potsdamer Villa würden sich englische Antiquitäten gut ausmachen, verriet er Oleg, der wie ein Schoßhund um ihn herumwieselte. Nachdem ich mich als sachkundiger Kenner englischer Antiquitäten ausgegeben hatte, zog Oleg mich zu dem Gespräch hinzu
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    Milner schwankte zwischen einem Schreibsekretär und einer Vitrine. Ich überzeugte Milner von der Echtheit der Möbelstücke und sprach von einem Schnäppchen. Am Ende nahm er beide Möbelstücke. Auch Oleg war hochzufrieden. Für mich aber zählte nur, dass Milners Interesse an mir geweckt war. Kurz darauf schickte er mir seinen Fahrer vorbei. Ich sollte mir einen Bücherschrank aus Mahagoni anschauen, den ihm ein stadtbekannter Hehler angeboten hatte. Milner hatte Zweifel, ob der Schrank echt oder nur eine Reproduktion war. Ich riet ihm vom Kauf ab. Eine Woche später trat ich in seine Dienste ein. Mein Job bestand im Wesentlichen darin, seinen Geschäftspartnern in Norddeutschland auf die Finger zu schauen. Milner misstraute seinem wichtigsten Geschäftspartner, dem Großinvestor Hans Baumgart aus Hannover. Aber er war auf ihn angewiesen und mehr noch auf dessen Netzwerk in der Politik. Dem altgedienten Kommunisten und nach der Wende abgetauchten DDR-Bürger Bodendorf, der Oleg vor dem Zugriff der deutschen Finanzverwaltung bewahrt hatte und sich so gut auf Antiquitäten verstand, brachte er weniger Misstrauen entgegen
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    Milners Haltung den Deutschen gegenüber war zwiespältig. Er redete gerne abschätzig über sie, aber im Grunde

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